Änderungen im Insolvenz- und Gesellschaftsrecht gem. COVID-19-Gesetz

Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID – 19 Pandemie vom 25.03.2020, BGBl. I, Seite 569f, vom 27. März 2020 („COVID-19 Gesetz“)

Erläuterungen zu Änderungen im Insolvenz- sowie im Gesellschaftsrecht

In unserem Mandantenrundschreiben vom 02.04.2020 haben wir Sie umfassend über die Änderungen im Vertragsrecht aufgrund des COVID-19 Gesetzes informiert. Mit dem heutigen Rundschreiben möchten wir Ihnen weiterführend die Neuerungen im Gesellschafts- und Insolvenzrecht vorstellen, die ebenfalls Gegenstand des COVID-19 Gesetzes sind. Dabei geht es insbesondere um Folgendes:

  • Aussetzung der Pflicht zur Einreichung des Insolvenzantrages bis zum 30.09.2020
  • Zahlungen des Geschäftsführers zur Aufrechterhaltung des Betriebes und Insolvenzverschleppung
  • Virtuelle Hauptversammlung bei Aktiengesellschaften
  • Beschlussfassung per E-Mail in GmbHs und Vereinen

 

I. Insolvenzrecht (Artikel 1 des COVID-19 Gesetzes)

1. Geltungsbeginn der Gesetzesänderungen

Die Änderungen im Insolvenzrecht, die im Folgenden lediglich in Ausschnitten zusammenfassend dargestellt werden, treten rückwirkend zum 01.03.2020 in Kraft (vgl. Artikel 6 des COVID-19 Gesetzes).

 

2. Insolvenzantragspflicht des Schuldners

Eine der Neuerungen betrifft die Insolvenzantragspflicht von Geschäftsführern und Vorständen gem. § 15a InsO sowie des Vereinsvorstandes gem. § 42 Abs. 2 BGB. Diese Pflicht zur zeitnahen Einreichung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist bis zum 30.09.2020 ausgesetzt, es sei denn:

  • die Insolvenz beruht nicht auf Auswirkungen der Corona-Pandemie

oder

  • die Zahlungsunfähigkeit wird voraussichtlich weiterhin bestehen.

Die Prüfung dieser Ausschlusskriterien wird dabei wie folgt erleichtert: Sofern zum 31.12.2019 nachweislich keine Zahlungsunfähigkeit vorlag, gilt eine Vermutung dahingehend, dass die Voraussetzungen für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht aufgrund der Corona-Pandemie vorliegen (vgl. Artikel 1 § 1 des COVID-19 Gesetzes).

 

3. Insolvenzantragsrecht der Gläubiger

Flankierend dazu wird durch das COVID-19 Gesetz das Recht der Gläubiger suspendiert, ihrerseits einen Eröffnungsantrag nach § 14 InsO zu Lasten des Schuldners zu stellen (vgl. Artikel 1 § 3 des COVID-19 Gesetzes). Diese Suspendierung gilt für Gläubigeranträge zwischen dem 28.03. und 28.06.2020, sofern nicht die Insolvenzreife bereits am 01.03.2020 vorlag.

 

4. Geltungsdauer der Änderungen

Beide Neuregelungen zu den Insolvenzanträgen gemäß vorstehend Ziff. 2 und 3 können durch bloße Rechtsverordnung bis zum 31.03.2021 verlängert werden (vgl. Artikel 1 § 4 des COVID-19 Gesetzes).

 

5. Zahlungsverbote

Darüber hinaus gelten die von Geschäftsführern einer GmbH vorgenommenen Zahlungen zur Weiterführung des Geschäftsbetriebes während der rechtmäßigen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht als ordnungsgemäß gem. § 64 S. 2 GmbHG. Gleiches trifft beispielsweise für Zahlungen von Aktiengesellschaften gem. § 92 Abs. 2 AktG zu (vgl. Artikel 1 § 2 Abs. 1 Nr. 1 des COVID-19 Gesetzes).

 

6. Insolvenzverschleppung und Insolvenzanfechtung

Weitere Änderungen zur Unterstützung von Schuldnern und deren Vertragspartnern betreffen die während des Aussetzungszeitraumes für Insolvenzanträge gewährten Kredite, die nicht als Insolvenzverschleppung gewertet werden sollen, sowie die Einschränkungen von diversen Insolvenzanfechtungsrechten u.a. im Zusammenhang mit eingeräumten Zahlungserleichterungen zu Gunsten des Schuldners (vgl. Artikel 1 § 2 Abs. 3 und 4 des COVID-19 Gesetzes).

 

II. Gesellschaftsrecht (Artikel 2 des COVID-19 Gesetzes)

1. Geltungsbeginn der Gesetzesänderungen

Die Änderungen im Gesellschaftsrecht, die hier ebenfalls nur zusammenfassend aufgeführt werden, sind am 28.03.2020 in Kraft getreten und gelten bis zum 31.12.2021 (vgl. Artikel 6 des COVID-19 Gesetzes).

 

2. Aktiengesellschaften

2.1 Einberufung und Durchführung von Hauptversammlungen

Aufgrund des COVID-19 Gesetzes greifen Erleichterungen bei der Durchführung von Hauptversammlungen im Jahr 2020. Namentlich dürfen auch ohne Ermächtigung in der Satzung sog. virtuelle Hauptversammlungen abgehalten werden, bei denen beispielsweise die Teilnahme und die Abstimmung durch die Aktionäre über elektronische Kommunikationsmittel erfolgen. Hierüber kann der Vorstand unter gewissen Voraussetzungen entscheiden (vgl. Artikel 2 § 1 Abs. 1 und 2 des COVID-19 Gesetzes).

Darüber hinaus gilt eine Verkürzung der Einberufungsfrist für die Hauptversammlung auf 21 Tage, die zudem innerhalb des Geschäftsjahres stattfinden kann (vgl. Artikel 2 § 1 Abs. 3 und 5 des COVID-19 Gesetzes).

Der Vorstand benötigt für die Umsetzung dieser Möglichkeiten der Versammlungseinberufung und –durchführung jedoch zwingend die Zustimmung des Aufsichtsrates (vgl. Artikel 2 § 1 Abs. 6 des COVID-19 Gesetzes).

 

2.2 Handlungsempfehlung

Da bei der Vorbereitung von Hauptversammlungen einer Aktiengesellschaft stets zahlreiche gesetzlich vorgeschriebene Formalien zu beachten sind, sollten die obigen Ausführungen jedoch nicht zu einer übereilten Einberufung führen, sondern eine sorgfältige Planung im Vorfeld erfolgen. Unsere Kanzlei steht Ihnen gern zur Verfügung, um ggf. durch Formfehler unwirksame Beschlüsse zu vermeiden.

 

3. Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHs)

3.1 Durchführung von Gesellschafterversammlungen

In Abweichung von der sonstigen gesetzlichen Regelung des GmbHG können Beschlüsse im Jahr 2020 in der sog. Textform (z.B. per E-Mail) oder mittels schriftlicher Stimmenabgabe getroffen werden, selbst wenn nicht alle Gesellschafter mit dieser Form einverstanden sind (vgl. Artikel 2 § 2 des COVID-19 Gesetzes). Damit soll den eingeschränkten Versammlungsmöglichkeiten während der Corona-Pandemie Rechnung getragen werden, ohne die internen Entscheidungsprozesse der Gesellschafter lahm zu legen. Indes ist eine virtuelle Gesellschafterversammlung – ähnlich den oben beschriebenen Regelungen bei der Aktiengesellschaft – nicht vorgesehen.

 

3.2 Handlungsempfehlung

Ungeachtet dieser Erleichterungen sollte zur Vermeidung von späteren Streitigkeiten an eine zusammenfassende und veröffentlichte Protokollierung sowie Feststellung des Beschlussergebnisses gedacht werden. Gern stehen wir Ihnen hierbei unterstützend zur Seite, da die Versammlungsdurchführung von dem ggf. gewohnten Prozedere abweicht und Fragen aufwirft.

Ferner betrifft die Regelung des COVID-19 Gesetzes nur die Entscheidung hinsichtlich der Art und Weise der Versammlungsdurchführung. Davon zu unterscheiden ist die Beschlussfassung durch die letztendlich abstimmenden Gesellschafter in der Sache selbst. Die hierfür erforderlichen Mehrheitsverhältnisse ergeben sich aus der Satzung der Gesellschaft.

 

4. Umwandlungen

4.1 Bilanzstichtag

Umwandlungen von Unternehmen dürfen nach bisheriger Gesetzeslage nicht im Handelsregister eingetragen werden, wenn der Stichtag der zugrundeliegenden Bilanz mehr als 8 Monate zurückliegt. Diese Frist wurde nunmehr auf 12 Monate bei Eintragungen im Jahr 2020 verlängert, damit mögliche Verzögerungen bei der Beschlussfassung nicht am Ende zum Scheitern der Umwandlung führen (vgl. Artikel 2 § 4 des COVID-19 Gesetzes).

 

4.2 Handlungsempfehlung

Unsere interdisziplinäre Kanzlei aus Rechtsanwälten und Steuerberatern steht Ihnen mit langjähriger Erfahrung auch und gerade während der Corona-Pandemie zur Seite, wenn es insbesondere um die Bilanzerstellung und die rechtliche Umsetzung der Umwandlung aus einer Hand geht.

 

5. Vereine

Auch für die Mitgliederversammlungen von Vereinen im Jahr 2020 gelten Erleichterungen. Denn die Beschlüsse sind ohne persönliches Treffen aller Mitglieder wirksam, sofern mindestens die Hälfte bis zum Versammlungstermin in Textform (z.B. E-Mail) mit der erforderlichen Mehrheit abgestimmt hat (vgl. Artikel 2 § 5 Abs. 3 des COVID-19 Gesetzes).

Darüber hinaus kann der Vorstand die Stimmenabgabe mittels elektronischer Kommunikation ähnlich wie bei der Aktiengesellschaft vorsehen (vgl. Artikel 2 § 5 Abs. 2 Nr. 1 des COVID-19 Gesetzes).

Wie Sie gesehen haben, enthält auch dieses aktuelle Rundschreiben wieder einige Aspekte aufgrund der Neuregelungen durch das COVID-19 Gesetz, deren Verständnis und Umsetzung nicht trivial sind. Wir hoffen, Ihnen auf diesem Weg einige nützliche Informationen an die Hand gegeben zu haben.

Sollten Sie weitere Fragen zum Umgang mit den Neuregelungen in Ihrem Unternehmen haben, steht Ihnen unsere interdisziplinäre Kanzlei gern zur Verfügung. Ihr kompetenter und erfahrener Ansprechpartner bei allen Angelegenheiten zum Gesellschafts- und Insolvenzrecht ist dabei Herr RA/StB Ralf Stölzel.

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Mandantenrundschreiben zu GesR, InsO w- COVID-19-Gesetz 03.04.20