Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID – 19 Pandemie vom 25.03.20207, BGBl. I, Seite 569f, vom 27. März 2020.
Erläuterungen zu Artikel 240 EGBGB neue Fassung
Der Bundestag hat am 25.03.2020 das
Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19 Pandemie
nachfolgend „COVID-19 Gesetz“ genannt
beschlossen. Veröffentlicht wurde das Gesetz im Bundesgesetzblatt Teil I am 27.03.2020. Mit dem COVID-19 Gesetz wurde die Insolvenzordnung (Aussetzung der Insolvenzantragspflicht), im Gesellschaftsrecht u.a. das Aktien- und das GmbH-Gesetz, die Strafprozessordnung und das Vertragsrecht geändert. Die Regelungen des COVID-19 Gesetzes, die das Vertragsrecht betreffen, sind am 01.04.2020 in Kraft getreten.
Mit diesem Schreiben wollen wir Ihnen die Änderungen im Vertragsrecht aufzeigen.
I. Einführung
1. Den Medien sind teils irreführende Mitteilungen zum Inhalt des COVID-19 Gesetzes zu entnehmen, was für diverse Vertragsverhältnisse für Schuldner, die sich nicht näher mit dem Inhalt der Vorschrift befassen, schnell teuer und vor allem rechtlich gefährlich werden kann.
Falsch ist jedenfalls der Gedanke, dass alle Verbraucher und Kleinstunternehmer per Gesetz ihren Zahlungsverpflichtungen ab dem 01.04.2020 nicht mehr ohne weiteres nachkommen müssten. Denn der überwiegende Teil von Dauerschuldverhältnissen dürfte gar nicht tangiert werden.
2. Zu unterscheiden ist die vorübergehende Regelung für:
- Miet- und Pachtverträge über Räume und Grundstücke, Art. 240 § 2 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes
- Verbraucherdarlehensverträge (ggf. auch Darlehensverträge mit Kleinstunternehmern), Art. 240 § 3 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes
- „wesentliche“, sonstige Dauerschuldverhältnisse, Art. 240 § 1 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes
II. Die einzelnen Vorschriften
1. Moratorium, Art. 240 § 1 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes
§ 1 des Art. 240 EGBGB ist zunächst ein Auffangtatbestand, denn § 1 des Art. 240 gilt nach dessen Abs. 4 nicht für
- Miet- und Pachtverträge in Sinne von Art. 240 § 2,
- Darlehensverträge (nicht nur Verbraucher!) und
- arbeitsrechtliche Ansprüche (dort gelten derzeit die Regeln des KuG).
Zunächst ist also zu betrachten, für welche beiden Verträge es eine gesonderte Regelung gibt:
2. Beschränkung der Kündigungen von Miet- und Pachtverhältnissen, Art. 240 § 2 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes
2.1 Kein Kündigungsrecht des Vermieters
Nach Art. 240 § 2 Abs. 1 kann der Vermieter von Miet- und Pachtverhältnissen (Art. 240 § 2 Abs. 3) über Grundstücke und Räume nicht allein wegen Verzuges mit den Mietzahlungen, die vom 01.04. bis 30.6.2020 fällig werden, kündigen, wenn die Nichtleistung auf den Auswirkungen der Pandemie beruht.
2.2 Glaubhaftmachung
Der Mieter muss glaubhaft machen, dass er durch die Corona Pandemie betroffen ist. Dies kann in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH (vgl. nur BGH 21.12.2006, IX ZB 60/06). z.B. durch Urkunden oder ggf. einer eidesstattlichen Erklärung erfolgen.
In der Begründung des Gesetzesentwurfes ist insoweit ausgeführt:
„geeignete Mittel können insb. d. Nachweis der Antragstellung/Bescheinigung der Gewährung von staatlichen Leistungen, Lohnabrechnungen (w. KuG) u.a. auch Einkommensnachweise … sein. Gewerbliche Mieter können den Zusammenhang … durch Verordnungen oder Verfügungen glaubhaft machen, dass der Betrieb untersagt oder eingeschränkt wurde.“
Ob der Mieter, wie teilweise vertreten wird, wegen des Umfangs der Glaubhaftmachung seine Vermögensverhältnisse offenlegen muss, um die fehlende Liquidität glaubhaft zu machen, hängt sicherlich vom Einzelfall ab.
2.3 Handlungsempfehlung:
Mieter werden also vorrangig gehalten sein, die im Zusammenhang mit der Corona Pandemie vom Staat zur Verfügung gestellten Mittel zu beantragen, um den Zeitraum der Unmöglichkeit der Zahlung – soweit überhaupt – möglichst gering zu halten. Die Beantragung von staatlichen Mitteln ist ohnehin dringend zu empfehlen, weil die so entstehende „Zwangskreditierung“ der Miete für den Mieter aufgrund der Verzugsfolgen sehr kostspielig werden kann, siehe dazu unter Ziff. 2.6.
2.4 Verpflichtung zur Zahlung der Miete bleibt bestehen
Art. 240 § 2 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes normiert also keine vorübergehende Zahlungsbefreiung; sondern verschafft den Mietern lediglich einen Kündigungsschutz. Der Mieter bleibt also zur Zahlung der Miete verpflichtet.
Diese Verpflichtung ergibt sich eindeutig aus der Begründung des Gesetzesentwurfes (BT-Drucksache 19/18110):
„Mieter erhalten kein Leistungsverweigerungsrecht. Sie bleiben … zur Leistung verpflichtet und können in Verzug geraten“
2.5 Ende des Kündigungsschutzes
Der Kündigungsschutz besteht nach Art. 240 § 2 EGBGB in der Fassung des COVID 19 Gesetzes bis 30.06.2022. Die rückständigen Mieten müssen bis zum 30.06.2022 bezahlt werden, um einer Kündigung zu entgehen. Die Mietvertragsparteien können insoweit auch keine abweichenden Vereinbarungen treffen.
2.6 Verzugsfolgen
Da der Mieter zur Zahlung der Miete verpflichtet bleibt und in Verzug kommen kann, hätte der Mieter zusätzlich zur Miete die Verzugskosten zu zahlen. Verzugskosten sind auf jeden Fall die vertraglich vereinbarten Verzugszinsen oder die gesetzlichen Verzugszinsen von 5 % (bzw. 9 % bei Unternehmen) über dem Basiszinssatz. Unter Umständen können aber auch Anwaltskosten oder auch Verfahrenskosten, hinzukommen, wenn der Vermieter die Miete eingeklagt. Das kann für Vermieter im Übrigen eine interessante, weil lukrative Anlagemöglichkeit sein, solange er sich um ein Ausfallrisiko beim Mieter keine Sorgen machen muss.
2.7 Handlungsempfehlung
Mieter, die von der Corona Pandemie betroffen sind, ist zu empfehlen, mit dem Vermieter rechtzeitig eine schriftliche Stundungsvereinbarung zu treffen. Durch eine Stundungsvereinbarung wird der Verzug, also die Fälligkeit der Mietzahlung beseitigt.
2.8 Force Major
Ob bei Gewerbe-Mietverhältnissen die Miete auf Null zu reduzieren ist, weil eine behördliche Betriebsuntersagung, wie beispielsweise bei Restaurants, Friseuren usw. vorliegt, oder wenigstens ein Anpassungsanspruch gegenüber dem Vermieter besteht, weil es sich doch um „höhere Gewalt“ handelt, hängt zunächst von der jeweiligen vertraglichen Ausgestaltung des einzelnen Mietvertrags ab. Nötig wird eine gesonderte rechtliche Prüfung der konkret vereinbarten Pflichten des Vermieters und der Verteilung der Risiken sowie auch der Reichweite der behördlichen, pandemiebedingten Nutzungsbeschränkungen. Häufig wird im Mietvertrag der Passus enthalten sein, dass die Nutzungserlaubnis/Genehmigung für den konkreten Betrieb im Verantwortungsbereich des Mieters liegt. Das spricht dann dafür, dass das Risiko der Nutzbarkeit aufgrund behördlichen Einschreitens beim Mieter liegt. Unter ganz besonderen Umständen können sich Mieter ggf. auf eine Befreiung vom Mietzins gemäß § 326 Abs. 1 BGB berufen, weil dem Vermieter die Bereitstellung des Mietobjekts zum vertraglich vereinbarten Gebrauch rechtlich unmöglich geworden ist, oder wegen Störung der Geschäftsgrundlage eine Anpassung des Mietzinses gemäß § 313 BGB verlangen. Grundsätzlich dürfte dies wohl nur ausnahmsweise möglich sein. Zum einen hat der BGH z.B. für Gewerberaummietverträge immer wieder klargestellt (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2010, Az. XII ZR 131/08), dass es in die Risikosphäre des Mieters fällt, die unternehmerischen Erfolgsaussichten seines Geschäfts in der von ihm gewählten Lage abzuschätzen. Zum anderen kann der Vermieter gerade jetzt argumentieren, dass der Gesetzgeber in dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie nur den Ausschluss des Kündigungsrechtes des Vermieters geregelt und insoweit klargestellt hat, dass die Mietzahlungspflicht des Mieters grundsätzlich weiter besteht. Das Leistungsverweigerungsrecht für Verbraucher und Kleinstunternehmen wurde gerade nicht auf Miet- und Pachtverhältnisse erstreckt und es wurde auch keine Stundung von Mietzahlungen (wie für Verbraucherdarlehensverträge) aufgenommen. Wenn es also schon kein Leistungsverweigerungsrecht gibt, dann erst Recht kein Recht auf Minderung.
3. Regelungen zum Darlehensrecht, Art. 240 § 3, EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes
3.1 Dreimonatige Stundung von Rückzahlungs-, Zins- und Tilgungsansprüchen
Nach Art. 240 § 3 Abs. 1 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes gilt für vor dem 15.03.2020 geschlossene Verbraucherdarlehensverträge (also NICHT für andere Darlehensverträge, die dann auch nicht dem Schutz des § 1 unterfallen, vgl. Art 240 § 1 Abs. 4 Nr. 1 !) eine gesetzlich angeordnete Stundung von Rückzahlungs-, Zins- und Tilgungsansprüchen vom 01.04. bis 30.06.2020, also für die Dauer von 3 Monaten, wenn durch die Pandemie Einnahmeausfälle bestehen, so dass dem Darlehensnehmer die Leistung nicht zumutbar ist. Nicht zumutbar sind die Rückzahlungs-, Zins- und Tilgungszahlungen, wenn der Lebensunterhalt des Darlehnsnehmers und / oder der seiner Unterhaltsberechtigten gefährdet ist.
Diese gesetzliche Stundung gilt also weder für Darlehen unter Privatleuten, noch für Darlehen zwischen zwei Unternehmern. Nach Art. 240 § 3 Abs. 8 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes kann die Bundesregierung diese Regelung allerdings auch auf die Kleinstunternehmen ausdehnen.
3.2 Kündigungsschutz
Gem. Art. 240 § 3 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes besteht bis zum Ablauf der Stundung auch Kündigungsschutz. Hiervon darf nicht durch Vereinbarung abgewichen werden. Der Darlehensvertrag verlängert sich somit nach Art. 240 § 3 Abs. 5 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes um 3 Monate, wenn sich die Vertragsparteien nicht über die weitere Handhabung der Darlehensschuld bis 30.06.2020 einig werden. Das bedeutet, dass dann das Darlehen zu den alten Konditionen weiterläuft und alle Zahlungen 3 Monate später fällig werden (der vereinbarte Zinssatz läuft natürlich weiter). Nach Art. 240 § 4 Abs. 1 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes kann die Bundesregierung diesen Zeitraum auf bis zu 12 Monate verlängern. Nach Art. 240 § 3 Abs. 6 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes gilt das für den Verbraucher nicht, wenn dem Darlehensgeber selbst wegen der Pandemie die Stundung unzumutbar ist.
3.3 Anderweitige vertragliche Absprachen
Abweichende Vereinbarungen sind nach Art. 240 § 3 Abs. 2 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes möglich, wie beispielsweise Tilgungsanpassungen oder Umschuldungen.
4. Moratorium, Art. 240 § 1, EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes
Soweit es sich nicht um Miet-/Pachtverträge oder Darlehensverträge handelt, ist zu prüfen, ob nach Art. 240 § 1 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes ein Leistungsverweigerungsrecht besteht.
4.1 Leistungsverweigerungsrecht von Verbrauchern
Ein Verbraucher kann die Zahlung bis 30.06.2020 (vermutlich sogar bis 30.09.2020) nach Art. 240 § 1 Abs. 1 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes verweigern, wenn
- es sich um einen Verbrauchervertrag handelt (der andere Vertragspartner muss also Unternehmer sein);
- es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt,
- dieses Dauerschuldverhältnis wesentlich ist (erforderliche Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge)
- das vor dem 08.03.2020 geschlossen wurde (Angebot und Annahme);
- der Verbraucher entweder nicht oder
- nicht ohne Gefährdung seines (oder seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen)
- angemessenen Lebensunterhaltes leisten könnte
- und die Ursache in der COVID-19-Pandemie liegt.
Der Verbraucher kann sich nicht auf das Leistungsverweigerungsrecht berufen, wenn die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechtes für den Gläubiger unzumutbar ist, weil seinerseits dessen wirtschaftliche Grundlagen des Erwerbsbetriebes gefährdet wäre (Art. 240 § 1 Abs. 3 Satz 1 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes).
4.2 Kleinstunternehmer – Leistungsverweigerungsrecht
Ein Kleinstunternehmer (bis zu 9 Beschäftigte und max. 2 Mio. € Umsatz/Jahr) kann die Zahlung bis 30.06.2020 (vermutlich sogar bis 30.09.2020) nach Art. 240 § 1 Abs. 2 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes verweigern, wenn:
- es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt,
- dieses Dauerschuldverhältnis wesentlich ist (erforderliche Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung seines Erwerbsbetriebes)
- das vor dem 08.03.2020 geschlossen wurde (Angebot und Annahme);
- der Kleinstunternehmer entweder nicht oder
- nicht ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen
- seines Erwerbsbetriebes leisten könnte
- und die Ursache in der COVID-19-Pandemie liegt.
Das gilt nach Art. 240 § 1 Abs. 3 Satz 2 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes nicht, wenn es für den Gläubiger unzumutbar ist, weil:
- dessen angemessener Lebensunterhalt und der seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährdet wäre ODER
- die wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebes gefährdet wären.
4.3 Kündigungsmöglichkeit
Soweit der Schuldner nach Art. 240 § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch macht und der Gläubiger dem nach Art. 240 § 1 Abs. 3 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes entgegentritt, kann der Schuldner kündigen, Art. 240 § 1 Abs. 3 Satz 3 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes.
Da zumindest nicht ausdrücklich von einer außerordentlichen Kündigung Rede ist, stellt sich die Frage, ob deswegen eine ordentliche Kündigung gemeint ist. Da der Schuldner ein Dauerschuldverhältnis jedoch immer ordentlich kündigen kann, dürfte wohl eine außerordentliche Kündigung gemeint sein. Dafür spricht insbesondere, dass in den Gründen (BT-Drucksache 19/18110, Seite 35) ausdrücklich § 628 BGB genannt wird.
Die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen sind zu bezahlen. Der Dienstverpflichtete (als Gläubiger) trägt nach § 628 BGB indes das Risiko, dass die Leistungen nicht zu vergüten sind, wenn dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht zustand und (!) die Leistung infolge der Kündigung für den Schuldner nicht mehr von Interesse ist. Zudem drohen dann Schadenersatzansprüche des Schuldners nach § 628 II BGB.
4.4 Wesentliche Dauerschuldverhältnisse
Es stellt sich die Frage, was mit „wesentlichen“ Dauerschuldverhältnissen gemeint ist. Der Begriff der Wesentlichkeit findet sich im BGB an den verschiedensten Stellen (§ 847 BGB, § 2087 BGB, § 906 BGB, § 946 BGB, § 309 Nr. 15 BGB, § 312 j BGB, § 649 BGB), so dass jedenfalls keine einheitliche, regelungsübergreifende Definition des Begriffes existiert. Durch die unterschiedliche Formulierung in Art. 240 § 1 Abs. 1 und Abs. 2 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes stellt sich zudem die Frage, ob unterschiedliche Merkmale vorliegen müssen.
Im Gesetzesentwurf (BT-Drucksache 19/18110 vom 24.03.2020) steht zur Begründung:
Seite 1: Damit wird für Verbraucher und (!) Kleinstunternehmer gewährleistet, dass sie etwa von Leistungen der Grundversorgung (Strom, Gas, Telekommunikation, Wasser) nicht abgeschnitten werden, weil sie ihren Zahlungspflichten nicht nachkommen können.
Seite 4: Damit wird für Verbraucher und Kleinstunternehmer gewährleistet, dass sie insbesondere von Leistungen der Grundversorgung (Strom, Gas, Telekomm., … Wasser) nicht abgeschnitten werden, …
Seite 18: Damit wird für Verbraucher und Kleinstunternehmer gewährleistet, dass sie insbesondere von Leistungen der Grundversorgung (Strom, Gas, Telekomm., … Wasser) nicht abgeschnitten werden, …
Seite 34: … Hierzu zählen etwa alle Pflichtversicherungen, Verträge über die Lieferung von Strom, Gas, Telekommunikationsdiente, … Wasserver- und -entsorgung. … Das Leistungsverweigerungsrecht für Kleinstunternehmen besteht in Bezug auf alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebes erforderlich sind. Auch hier gehören Pflichtversicherungen, Verträge über die Lieferung von Strom, Gas, Telekommunikationsdiente, … Wasserver- und -entsorgung zu solchen Leistungen.
Sonach können nach unserer Auffassung entsprechend dem Sinn und Zweck der Vorschrift und im Einklang mit der Begründung des Gesetzestextes nur solche Dauerschuldverhältnisse gemeint sein, die für den weiteren Betrieb unerlässlich sind, weil die Nichterfüllung der jeweiligen Gegenleistung unmittelbar und zeitnah zum Betriebsstillstand führen würde.
Damit handelt es sich nicht um wesentliche Dauerschuldverhältnisse, wenn diese Leistungen betreffen, deren Nichterbringung vielleicht negative Folgen haben mögen, jedoch nicht unmittelbar zum Betriebsstillstand führen, sondern ggf. auch nachgeholt werden können (wie z. B. laufende Verträge zur Erstellung von Lohn- und Umsatzsteuerabrechnungen). Das muss erst Recht für alle Leistungen gelten, die der Schuldner ggf. auch selber erbringen kann und für die er nicht zwingend die (vergütungspflichtige) Leistung eines Dritten benötigt.
4.5 Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechts
Der Schuldner muss dann das Leistungsverweigerungsrecht als einseitiges Gestaltungsrecht einredeweise geltend machen (BT-Drucksache 19/18110 vom 24.03.2020, Seite 35 oben). Es besteht also nicht von alleine, sondern der Schuldner muss dem Gläubiger gegenüber eine Erklärung abgeben. Von Glaubhaftmachung der Gründe ist in § 1 zwar nicht die Rede. Gleichwohl muss der Schuldner sich nicht nur auf das Recht berufen, sondern die Gründe auch belegen (a.a.O.), was „insbesondere dann von Bedeutung sein wird, wenn der Gläubiger anzweifelt, dass dem Schuldner gerade wegen der Pandemie seine Leistungserbringung nicht möglich ist“.
Insofern spricht vieles dafür, dass für den Umfang der vom Schuldner anzugebenden Tatsachen gilt, dass der Schuldner:
- die Verursachung der Leistungsunfähigkeit durch die Pandemie
- vorhandene Liquidität und
- zu erzielende Liquidität sowie
- Anstrengungen zur Erlangung von Zuschüssen und anderen Förderungen
- andere Anstrengungen zur einfacheren, bzw. gefahrloseren Erlangung von Liquidität (Stundungsanträge an das Finanzamt, Nichtzahlung von Mieten und Darlehensraten),
zu erklären und durch geeignete Unterlagen zu belegen hat.
Denn der Gläubiger muss in die Lage versetzt werden, seinerseits zu prüfen, ob ihm dieses Leistungsverweigerungsrecht zumutbar ist (nachfolgend unter Ziff. 4.6). Insoweit wird man vom Schuldner als „Beleg“ zumindest auch eine Liquiditätsvorschau verlangen dürfen, die die vorgenannten Punkte mitberücksichtigt.
4.6 Ausnahmeregelung für den Gläubiger
Schließlich besteht auch für den Gläubiger eine Ausnahme in Art. 240 § 1 Abs. 3 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes. In den Gründen (BT-Drucksache 19/18110, Seite 35) wird ausdrücklich zugestanden, dass Art. 240 § 1 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes 1 einen schwerwiegenden Eingriff in Art. 2 I GG darstellt:
„In den Fällen, in denen ein Leistungsaufschub aus Sicht des Gläubigers zu Ergebnissen führt, die so unzumutbar sind, wie es die Leistungserbringung für den Schuldner wäre, soll das Leistungsverweigerungsrecht nicht gelten.“
Der Schuldner kann also durch die Pandemie grundsätzlich nicht besser stehen als der Gläubiger. Soweit der Schuldner sich auf sein Verweigerungsrecht beruft und der Gläubiger geltend macht, es sei für ihn unzumutbar, müssen die Folgen abgewogen werden. Nur wenn die Folgen für den Schuldner härter als für den Gläubiger wären, steht dem Schuldner sein Verweigerungsrecht zu. Um jedoch beiden Vertragspartnern eine solche Abwägung zu ermöglichen, wird man dem Schuldner den o.g. Darlegungsumfang abverlangen können dürfen. Das bedeutet, dass zunächst beide Vertragspartner ihre Gründe geltend machen sollten.
Macht der Gläubiger Unzumutbarkeit geltend, kann der Schuldner kündigen, Art. 240 § 1 Abs. 4 Satz 3 EGBGB in der Fassung des COVID-19 Gesetzes. In den Gründen (BT-Drucksache 19/18110, Seite 35) wird zudem für den Fall, dass der Gläubiger die Unzumutbarkeit geltend macht, der Schuldner bei Dienstverträgen ausdrücklich auf § 628 BGB hingewiesen (s.o.).
5. Abschließende Überlegungen
Die Initiative des Gesetzgebers ist ausdrücklich zu begrüßen. Sie bietet betroffenen Schuldnern zunächst ein sinnvolles Instrument, um sich mit den bestehenden oder drohenden Liquiditätsschwierigkeiten arrangieren zu können. Die Tatsache, dass die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt wurde, unterstützt dies. Wie vielen Mietern die Regelung hilft, wird sich zeigen.
Der Schutz des Schuldners kann aber – und wird es wohl auch – den Gläubiger wesentlich schädigen. Als Gläubiger wird man aber – wie es die Medien vielleicht Glauben machen – nicht schutzlos gestellt, wenn der Schuldner geltend macht, er sei wegen der Pandemie zur Zahlung nicht in der Lage und dürfe ein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht ausüben. Unabhängig davon, dass es jedem Gläubiger natürlich freisteht, aus Billigkeitsgründen vorübergehend auf eine Zahlung fälliger Vergütungen zu verzichten, sollte der angesprochene Gläubiger mitberücksichtigen, dass ihn ein Totalausfall der Forderung aufgrund der Pandemie letztlich mehr schädigt als die lediglich vorübergehende Nichtzahlung ohne Verzugsfolgen.
Dem Schuldner ist zu raten, dass er sein Leistungsverweigerungsrecht jedenfalls so ausführlich begründet und mit Unterlagen belegt, wie es sein Kenntnisstand zulässt. Soweit der Schuldner Zuschüsse und Darlehen für solche Kosten beantragt hat oder beantragen kann, endet das Zurückbehaltungsrecht jedenfalls mit der tatsächlichen oder voraussichtlichen Auszahlung der Mittel. Eindringlich gewarnt sei davor, sich Mittel ausbezahlen zu lassen und damit die zur Begründung angeführten Kosten nicht auszugleichen. Denn das Hochwasser 2002 hat gezeigt, dass Fördermittel schnell und unbürokratisch ausbezahlt wurden, die Kontrolle hinterher (und zwar jahrelang) sehr streng verfolgt wurde und Zweifelsfälle konsequent zur Anzeige bei der Staatsanwaltschaft gebracht wurden.
Gläubiger werden umgekehrt ihren Schuldner zunächst dahingehend sensibilisieren müssen, dass ggf. nach dem Text der Begründung des Gesetzesentwurfes nicht davon auszugehen ist, dass es sich überhaupt um ein wesentliches Dauerschuldverhältnis handelt. Soweit der Schuldner auf sein Recht bestehen sollte, wird man von ihm (soweit Zweifel an den Voraussetzungen im Übrigen bestehen) zunächst die Vorlage von Belegen verlangen müssen, die den Gläubiger in die Lage versetzt, zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Leistungsverweigerungsrechtes vorliegen oder nicht. Sollte diese Prüfung zu Gunsten des Schuldners zu einem möglichen Leistungsverweigerungsrecht führen, kann der Gläubiger prüfen, inwieweit wegen der Unzumutbarkeit auf seiner Seite eine gesetzliche Ausnahme von dem Leistungsverweigerungsrecht besteht und dies gegenüber dem Schuldner ebenfalls nachvollziehbar erläutern, bzw. belegen. Erst dann ist die nötige Abwägung möglich, wen das jeweilige Recht härter trifft.
Letztlich trifft den Schuldner, der sein vermeintliches Recht zu Unrecht ausübt, das Risiko, dass die Leistung nicht erbracht wird oder das Dauerschuldverhältnis wegen Zahlungsverzuges gekündigt wird. Den Gläubiger wiederum, der sein vermeintliches Recht zu Unrecht ausübt, trifft das Risiko, auf Schadenersatz in Anspruch genommen zu werden.
Wie sich aus den vorstehenden Hinweisen ergibt, handelt es sich hinsichtlich des Vertragsrechts um komplexe Fragestellungen, die mit dem COVID-19-Gesetz einhergehen. Unsere Kanzlei steht Ihnen bei der Lösung dieser Fragen gern zur Seite. Ihr kompetenter und erfahrener Ansprechpartner bei allen Angelegenheiten zum Vertragsrecht ist dabei unser Kollege Herr RA Boris Burtin.Weiterlesen