Schlechter Preis bleibt schlechter Preis im VOB/B – Vertrag?

 

Bisher galt i.d.R. für Preisanpassungen nach § 2 (3), (5) VOB/B: „Schlechter Preis bleibt schlechter Preis, guter Preis bleibt guter Preis“, und zwar entgegen der gesetzlichen Regelung des § 650 c BGB. Dem stellt sich (auch) das OLG Koblenz entgegen, 20.06.2022, 1 U 2211/21.

Preisermittlung wegen Mengenmehrungen nach § 2 (3) VOB/B oder geänderter Leistung nach § 2 (5) VOB/B gemäß § 650 c BGB

Der „schlechte“ Preis bleibt damit kein „schlechter“ Preis mehr. Das OLG Koblenz schließt sich damit den zunehmenden Auffassungen anderer Oberlandesgerichte an (und dem Meinungsstand in der Literatur). Eine Bestätigung des BGH steht aus. Die Berücksichtigung von Mehr- und Minderkosten legt keine bestimmte Berechnungsmethode nahe. Im Anschluss an BGH VII ZR 34/18 (Urteil v. 08.08.2019) muss im Wege der Auslegung des Vertrages geklärt werden, was die Parteien vereinbart haben. Ergibt also der Vertrag nicht ausdrücklich, dass die Parteien eine „Fortschreibung“ der ursprünglichen Preiskalkulation vereinbart haben, ist am Ehesten davon auszugehen, dass die gesetzliche Regelung des § 650 c BGB gilt (erforderliche Kosten zzgl. angemessener Zuschläge).

Erforderliche Kosten gemäß § 650 c BGB statt „schlechte“ Preiskalkulation

Im Wege der Vertragsauslegung kann man auch nicht davon ausgehen, dass die Parteien die Fortgeltung der bisherigen Rechtsprechung „gewollt“ haben. Der Auftragnehmer hat damit die tatsächlich erforderlichen Kosten einschließlich der Baustellengemeinkosten schlüssig darzulegen. Das begünstigt künftig den Auftragnehmer mit einer schlechten Preiskalkulation und benachteiligt den Auftragnehmer mit einer günstigen Preiskalkulation.

Praxistipp:

Die Auffassung von OLG Koblenz, OLG Düsseldorf, OLG Brandenburg, OLG Köln birgt auch Risiken, insbesondere für den Auftragnehmer mit einer „guten“ Preiskalkulation. Denn bisher galt es, die Preisänderung anhand der Urkalkulation herzuleiten (oder eine solche nachträglich zu erstellen). Eines Nachweises der der tatsächlich erforderlichen Kosten bedurfte es nicht. Solange also Unsicherheit besteht, sollten die tatsächlichen Kosten für zusätzliche, bzw. geänderte Leistungen durch den Auftragnehmer vorsorglich dokumentiert werden.

Stand: 15.05.2023

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Boris Burtin (Fachanwalt Baurecht & Architektenrecht)

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Kündigungsrecht nach § 8 (3) Nr. 1, § 4 (7) VOB/B (2002) unwirksam

Ist die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden, ist § 4 (7) VOB/B (Mangelbeseitigungspflicht VOR Abnahme) und das daraus folgende Kündigungsrecht nach § 8 (3) Nr. 1 VOB/B unwirksam, weil für den Auftragnehmer unangemessen im Sinne von § 307 I 1.) BGB. Dies hat der BGH im Urteil vom 19.01.2023 – VII ZR 34/20 entschieden.

Wird die VOB/B durch AGB des Verwenders geändert, entfällt die sog. „Privilegierung“ der VOB/B, einzelne Bestimmungen können – da unwirksam – von Gerichten „einkassiert“ werden.

Ändert der Auftraggeber bei Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag den Inhalt der VOB/B auch nur unwesentlich, dann fällt die Privilegierung der VOB/B als AGB insgesamt weg (seit BGH vom 16.12.1982, VII ZR 92/82, modifiziert am 22.01.2004, VII ZR 419/02). Einzelne Bestimmungen können dann durch das Gericht als unwirksam gewertet werden, § 307 ff. BGB. Die VOB/B soll ergänzend zum Werkvertragsrecht in §§ 631 ff. BGB ein für Auftragnehmer und Auftraggeber ausgewogenes Regelwerk in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) darstellen. Einzelne Klauseln können – isoliert – unwirksam sein. Gilt die VOB/B aber als Ganzes, gilt die sog. „Privilegierung der VOB/B“ trotz bedenklicher Klauseln. Auch nur geringfügige Änderungen – nicht Ergänzungen! – des Inhaltes der VOB/B durch den Verwender von AGB führen seit 2004 dazu, dass durch die Gerichte verschiedene Bestimmungen in der VOB/B als unwirksam gewertet werden.

Kündigung wegen Nichtbeseitigung eines Mangels VOR Abnahme

Die Mängelbeseitigung gehört eigentlich zu den Pflichten NACH Abnahme (Gewährleistung, §§ 634 ff. BGB). Bis zur Abnahme schuldet der Auftragnehmer die mangelfreie Herstellung. § 4 (7) VOB/B sieht vor, dass der Auftraggeber den Auftragnehmer zur Mangelbeseitigung VOR Abnahme auffordern darf und im nächsten Schritt die Kündigung nach § 8 (3) VOB/B androhen darf. Gegen die Wirksamkeit von § 4 (7) VOB/B gibt es schon lange Bedenken. Der BGH hat nun klargestellt, dass § 4 (7) VOB/B im Sinne von § 307 BGB (auch unter Unternehmern) unangemessen ist, weil nach verwenderfreundlichster Auslegung eine Kündigung auch bei geringfügigen Mängeln möglich ist. Also auch bei Mängeln, die bis 31.12.2017 nach § 640 BGB nicht zur Abnahmeverweigerung berechtigten und auch heute nicht zur Unzumutbarkeit für eine Kündigung nach § 648 a I BGB führen würden. Das schlägt auch auf die Wirksamkeit des Kündigungsrechtes nach § 8 (3) Nr. 1 VOB/B durch, weil unabhängig von der nach § 648 a I BGB nötigen Interessensabwägung eine Kündigung nur aus formalen Gründen möglich ist.

Praxistipp:

Die Entscheidung gilt an sich für die VOB/B 2002 (Vertrag dort aus 2004), die Argumentation spricht aber dafür, dass der BGH auch die aktuelle Regelung des § 4 (7) und § 8 (3) VOB/B im Fokus hatte (VOB/B 2016). Verwendet der Auftraggeber die VOB/B und eigene AGB, muss er künftig – wenn er sich wegen Nichtbeseitigung eines Mangels des Auftragnehmers vom Vertrag lösen möchte – den sicheren Weg über § 314, § 648 a BGB wählen (Abmahnung, Kündigungsandrohung, Abwägung der Interessen, Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertrages und dann erst Kündigung). Was bedeutet, dass er ggf. warten muss, bis die Pflichtverletzung(en) das Maß der Unzumutbarkeit erreicht hat/haben.

Stand: 05.05.2023

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