Neuerungen für Arbeitgeber ab 2023

Das Jahr 2023 beginnt mit einigen Neuerungen, welche auf Arbeitgeber*innen zukommen. Wir haben die Wichtigsten kurz in alphabetischer Reihenfolge für Sie zusammengefasst:

Arbeitszeiterfassung

Nachdem das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 13.09.2022 bestätigte, dass Arbeitgeber*innen schon heute verpflichtet sind, Lage, Beginn, Dauer und Ende von Arbeitszeiten tatsächlich zu erfassen, gilt es, diese Entscheidung umzusetzen. Die bloße Bereitstellung eines Zeiterfassungssystems reicht dafür nicht aus. Das bereitgestellte System muss auch tatsächlich verwendet und genutzt werden. Weitere Einzelheiten hierzu können Sie unserem Fachbeitrag zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitszeiterfassung entnehmen.

Bescheinigungen für die Arbeitsagentur

Arbeitgeber*innen, die ab diesem Jahr Arbeitsbescheinigungen sowie Bescheinigungen über Nebeneinkommen an die Agentur für Arbeit übermitteln wollen, können dies nur noch elektronisch veranlassen und zwar unabhängig von Größe und Branche des Unternehmens. Ausnahmen bestehen nur für Arbeitsverhältnisse die vor dem Jahr 2023 ihr Ende gefunden haben sowie für vor 2023 zu bescheinigende Nebeneinkommen.

Einkommensteuertarif

Für das Jahr 2023 wurden zur Abmilderung von Steuermehrbelastungen die Eckwerte im Einkommensteuertarif angepasst. Dazu wurden der Grundfreibetrag auf EUR 10.908,00 und der Kinderfreibetrag auf EUR 8.952,00 angehoben. Der Freibetrag für den Solidaritätszuschlag liegt nunmehr für Alleinstehende bei EUR 17.543,00 und bei EUR 35.086,00 bei Zusammenveranlagung bzw. Steuerklasse III. Der Spitzensteuersatz beträgt 2023 EUR 62.810,00 jährlich.

Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Ab 2023 können Arbeitsunfähigkeitsdaten von Arbeitnehmer*innen bis auf wenige Ausnahmen nur noch elektronisch bei den Krankenkassen abgerufen werden. Detailliertere Hinweise finden Sie auch in unserem Fachbeitrag zur Elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU).

Bemessungsgrößen Sozialversicherung

Die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung wurde zum 01.01.2023 auf EUR 59.850,00 jährlich festgesetzt. Dies entspricht einem monatlichen Einkommen von EUR 4.987,50 brutto. Auch die Grenze, bis zu welcher Arbeitnehmer*innen gesetzlich krankenversichert sein müssen (Versicherungspflichtgrenze), wurde angehoben und zwar auf EUR 66.600,00 jährlich, mithin EUR 5.550,00 monatlich.

Für die allgemeine Rentenversicherung wurde die Beitragsbemessungsgrenze auf monatlich EUR 7.100,00 in den neuen Bundesländern und auf EUR 7.300,00 in den alten Bundesländern angehoben. In der knappschaftlichen Rentenversicherung liegt die Einkommensgrenze nunmehr monatlich bei EUR 8.700,00 in den neuen und bei EUR 8.950,00 in den alten Bundesländern.

Hinweisgeberschutzgesetz

Voraussichtlich ab April 2023 wird das Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft treten. Unternehmen ab 250 Beschäftigten sowie Finanzdienstleister müssen mit Inkrafttreten des Gesetzes eine interne Meldestelle eingerichtet haben, an welche Hinweise auf rechtliche Verstöße herangetragen werden können. Ab 17.12.2023 ist dies auch für Unternehmen ab 50 Mitarbeitern verpflichtend.

Hinzuverdienstgrenze bei vorgezogenen Altersrenten

Der Bundestag beschloss am 02.12.2022, die Hinzuverdienstgrenze bei vorgezogenen Altersrenten ersatzlos zu streichen. Frührentner*innen können demnach ab dem 01.01.2023 beliebig viel hinzuverdienen, ohne dass die Rente gekürzt wird. Bei Bezieher*innen von Erwerbsminderungsrenten steigt die Hinzuverdienstgrenze und kann je nach Einzelfall bis zu EUR 35.650,00 pro Jahr betragen.

Inflationsausgleichsprämie

Rückwirkend ab Oktober 2022 können Arbeitgeber*innen allen Mitarbeitenden zur Abmilderung der Inflationsauswirkungen eine steuerfreie Prämie zahlen. Diese ist auf maximal EUR 3.000,00 gedeckelt und kann bis zum 31.12.2024 auch in Teilbeträgen gezahlt werden. Weitere Einzelheiten hierzu finden Sie in unseren aktuellen Nachrichten zur Inflationsausgleichsprämie.

Kurzarbeitergeld

Bis Ende Juni 2023 ist es möglich, Kurzarbeitergeld zu erhalten, wenn mindestens 10% der beschäftigten Personen einen Arbeitsausfall von mehr als 10% haben. Dabei müssen keine negativen Arbeitszeitsalden aufgebaut werden. Diese Erleichterungen sind auch für Unternehmen möglich, die ab Oktober 2022 Kurzarbeit angezeigt haben oder nach mind. 3monatiger Unterbrechung wieder Kurzarbeit anzeigen müssen.

Lohnsteuerbescheinigung

Ab 2023 dürfen elektronische Lohnsteuerbescheinigungen nur noch mit der Steuer-Identifikationsnummer der Arbeitnehmer*innen an das Finanzamt übermittelt werden. Die bisherige eTIN fällt ab diesem Jahr weg.

Midijobs

Die Höchstgrenze für eine Beschäftigung im Übergangsbereich (sog. Midijob) wird ab Januar 2023 auf EUR 2.000,00 monatlich angehoben.

Pflegezeit

Eltern und pflegende Angehörige haben in Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten Anspruch auf Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz und in Unternehmen mit mehr als 25 Beschäftigten Anspruch auf Familienpflegezeit nach dem Familienpflegezeitgesetz.

Mit dem Gesetz zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige können nunmehr auch Arbeitnehmer*innen in Unternehmen mit weniger Beschäftigten die Inanspruchnahme von Pflegezeit bzw. Familienpflegezeit beantragen. Arbeitgeber*innen müssen nunmehr unabhängig von der Betriebsgröße innerhalb von 4 Wochen darauf reagieren und im Fall der Ablehnung diese begründen.

Dies gilt auch für Anträge auf flexible Arbeitszeitregelungen in der Elternzeit. Nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz besteht ein Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit zwar noch immer nur in Unternehmen mit mehr als 15 Arbeitnehmer*innen. Allerdings sind nunmehr auch kleinere Unternehmen verpflichtet, die Ablehnung eines entsprechenden Antrags zu begründen.

Sachbezugswerte für Unterkunft und Verpflegung

Auch die Sachbezugswerte für freie Unterkunft und Verpflegung wurden ab 2023 angepasst. Damit beträgt das zu berücksichtigende Arbeitsentgelt für die verbilligte oder unentgeltliche Verpflegung monatlich EUR 288,00. Dies entspricht jeweils EUR 2,00 für ein Frühstück und EUR 3,80 für ein Mittag- oder Abendessen je Kalendertag.

Der Sachbezugswert für eine Unterkunft wurde auf EUR 265,00 monatlich festgesetzt.

Unternehmensnummer in der Berufsgenossenschaft

Die bisherige Mitgliedsnummer wird zum 01.01.2023 durch eine 15stellige Unternehmensnummer ersetzt. Die Berufsgenossenschaften haben ihre Mitglieder im Jahr 2022 bereits entsprechend informiert. Sofern noch nicht geschehen, bitten wir unsere Mandanten um Mitteilung der Unternehmensnummer, da diese für die Zuordnung von Meldungen an die Berufsgenossenschaften erforderlich ist.

Stand: 01.01.2023

Ansprechpartner:

Sabine Stölzel (Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht)

Melanie Wilhelm (LL.M., Rechtsanwältin)

Kontaktdaten:

kontakt@stoelzel-gbr.de

+49 (0)351 486 7070

Mandanteninformation März/ April 2022

In der zweiten Mandanteninformation diesen Jahres geht es insbesondere um folgende Themen:

  • Rücklage für Ersatzbeschaffung – Reinvestitionsfrist
  • Verjährung bei Rückabwicklung sog. Bauträgerfälle
  • Billigkeitsregelungen im Gemeinnützigkeitsrecht
  • Regelungen für Stundung und Vollstreckungsschutz
  • Erleichterungen für die Opfer der Flutkatastrophe
  • Information zur Grundsteuerreform
Mandanteninformation 02-22 (März-April)

Mandanteninformation Januar/Februar 2022

In der ersten Mandanteninformation dieses Jahres geht es insbesondere um folgende Themen:

  • Privatnutzung von Elektro- und Hybridfahrzeugen
  • Frist für das umsatzsteuerliche Zuordnungswahlrecht
  • Neues Schreiben zur Entfernungspauschale
  • Erleichterter Zugang zur Kurzarbeit verlängert
  • Spendenabzug bei konkreter Zweckbindung

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BAG: Kürzung Urlaub – bei Kurzarbeit Null

Nachdem sich zunächst das LAG Düsseldorf damit zu beschäftigen hatte, ob Urlaubstage während Zeiten der sogenannten Kurzarbeit Null gekürzt werden können, entschied nun das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 30.11.2021 – 9 AZR 225/21):

 

Kürzung des Urlaubsanspruchs durch den Arbeitgeber

Die Arbeitnehmerin ist seit 2011 drei Tage wöchentlich als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten beschäftigt. Ihr Urlaubsanspruch beträgt bei einer vereinbarten Dreitagewoche jährlich 14 Arbeitstage (28 Werktage bei der im Unternehmen bestehenden Sechstagewoche).

Das beklagte Unternehmen musste aufgrund des durch die Corona-Pandemie verursachten Arbeitsausfalls im Jahr 2020 Kurzarbeit einführen. Die klagende Arbeitnehmerin erbrachte in den Monaten April, Mai und Oktober 2020 aufgrund der angeordneten Kurzarbeit überhaupt keine Arbeitsleistung. In den Monaten November und Dezember 2020 arbeitete sie nur an insgesamt fünf Tagen.  Die Arbeitgeberin kürzte daraufhin den Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin um 2,5 Arbeitstage auf 11,5 Arbeitstage. Die Arbeitnehmerin war der Ansicht, ihr stünde der volle Urlaub von 14 Arbeitstagen für das Jahr 2020 zu und zog vor das Arbeitsgericht.

Die Vorinstanzen [Arbeitsgericht Essen (Urteil vom 06.10.2020 – 1 Ca 2155/20) und LAG Düsseldorf (Urteil vom 12.03.2021 – 6 Sa 824/20)] haben die Klage abgewiesen und auch vor dem BAG hatte die Arbeitnehmerin keinen Erfolg.

Die Arbeitnehmerin hat keinen Anspruch auf den vollen Jahresurlaub.

Berechnung des Urlaubsanspruchs bei einer von § 3 Abs. 1 BUrlG abweichenden wöchentlichen Arbeitszeit 

§ 3 Abs. 1 BUrlG regelt den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch. Dieser beläuft sich bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage wöchentlich auf 24 Werktage. Wird weniger oder mehr als sechs Tage wöchentlich gearbeitet, verändert sich auch die Anzahl der Urlaubstage entsprechend, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten. Ist also die Arbeitszeit auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, ist die Anzahl der Urlaubstage grundsätzlich unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus zu berechnen. Berechnet wird der Urlaubsanspruch dann wie folgt: 24 Werktage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage. Haben die Parteien keine von § 3 BUrlG abweichende Regelung zum vertraglichen Mehrurlaub getroffen, gilt diese Berechnung auch hierfür.

Im beklagten Unternehmen werden bei einer Sechstagewoche 28 Werktage Urlaub gewährt. Die klagende Arbeitnehmerin arbeitete drei Tage wöchentlich, sodass sich die Tage mit Arbeitspflicht auf 156 Tage im Jahr belaufen. Unter Beachtung der vorstehenden Formel ergibt sich daher folgende Berechnung für den Jahresurlaub der klagenden Arbeitnehmerin: 28 Werktage x 156 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage = 14 Arbeitstage Urlaubsanspruch

Anteilige Kürzung des Urlaubs bei Kurzarbeit Null ist rechtens

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts rechtfertigt auch der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs. Denn die aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausgefallenen Arbeitstage sind weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht wie Zeiten mit Arbeitspflicht zu behandeln.

Für die klagende Arbeitnehmerin bedeutet dies, dass sich ihr Urlaubsanspruch allein durch die vollständige Kurzarbeit in den Monaten April, Mai und Oktober 2020 auf 10,5 Arbeitstage verringert (28 Werktage x 117 Tage mit Arbeitspflicht durch 312 Werktage).

Verfahrensgang:

BAG, Urteil vom 30.11.2021 – 9 AZR 225/21;

LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2021 – 6 Sa 824/20;

Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 06.10.2020 – 1 Ca 2155/20

Praxistipp:

Damit ist nun höchstrichterlich geklärt, dass sich der Urlaubsanspruch für Zeiten von Kurzarbeit Null anteilig kürzt. Diese Grundsätze finden auch dann Anwendung, wenn die Kurzarbeit aufgrund einer Betriebsvereinbarung eingeführt wurde (BAG, Urteil vom 30.11.2021 – 9 AZR 234/21). Auch wenn zu hoffen bleibt, dass sich im Jahr 2022 die Einführung von Kurzarbeit reduziert und diese Thematik daher nur noch in Ausnahmefällen relevant wird, ist Arbeitgebern mit dieser Entscheidung zumindest hinsichtlich des Urlaubsanspruchs eine finanzielle Erleichterung verschafft worden.

Das Bundesarbeitsgericht zeigt mit seiner Rechtsprechung, dass bei der Lohnabrechnung ein zweiter Blick von Vorteil sein kann. Denn das hier beklagte Unternehmen wäre nur zur Gewährung von 10,5 Urlaubstagen verpflichtet gewesen und zahlte der Arbeitnehmerin damit zu viel Urlaub für das Jahr 2020 aus.

Stand: 03.12.2021

Ansprechpartner:

Sabine Stölzel (Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht)
Melanie Wilhelm (LL.M.,  Rechtsanwältin)

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LAG: Kürzung Urlaub – bei Kurzarbeit Null

Damit hatte sich das LAG Düsseldorf zu beschäftigen und entschied wie folgt:

Ist der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit Null nicht zur Arbeit verpflichtet, kürzt sich anteilig sein Urlaub in diesen Zeiträumen.

 

Ausgangssituation für die Kürzung des Urlaubsanspruchs

Die Arbeitnehmerin ist seit 2011 als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten beschäftigt.

Das beklagte Unternehmen war, wie viele andere, von den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie betroffen und musste 2020 wiederholt Kurzarbeit einführen. Die Arbeitnehmerin befand sich demnach im Jahr 2020 drei Monate durchgehend in sog. Kurzarbeit Null. D.h. sie erbrachte in diesen Monaten überhaupt keine Arbeitsleistung. Die Arbeitgeberin kürzte daraufhin den Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null um 1/12.

Die Arbeitnehmerin war der Ansicht, ihr stünde der volle Urlaub für das Jahr 2020 zu und zog vor das Arbeitsgericht.

Anteilige Kürzung des Urlaubs bei Kurzarbeit Null zulässig

Vor dem Arbeitsgericht Essen (Urteil vom 06.10.2020 – 1 Ca 2155/20) sowie vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 12.03.2021 – 6 Sa 824/20) unterlag die Arbeitnehmerin.

Der Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG setze – dem Grunde nach – allein das Bestehen des Arbeitsverhältnisses voraus. Er stehe nicht unter der Bedingung, dass tatsächlich gearbeitet wurde. Während der Kurzarbeit gelte somit nichts Anderes.

Vom Grundsatz der Entstehung des Urlaubsanspruchs zu trennen, sei aber die Höhe, in welcher der Urlaubsanspruch entsteht. § 3 BUrlG gehe von einem Mindesturlaub von 24 Werktagen aus, wenn an sechs Tagen pro Woche gearbeitet wird. Wird an weniger Tagen pro Woche gearbeitet, verringere sich auch der Urlaubsanspruch im gleichen Verhältnis. Wechselt die Arbeitspflicht unterjährig, müsse der gesetzliche Urlaubsanspruch unter Berücksichtigung der Wochentage mit Arbeitspflicht entsprechend umgerechnet werden. Unter Umständen müsse dann die Urlaubsdauer im Kalenderjahr mehrfach berechnet werden.

Dies gelte auch in Zeiträumen, in denen eine Befreiung von der Arbeitsverpflichtung, also eine Arbeitszeit von Null vereinbart worden ist und somit ebenso für Zeiträume der konjunkturellen Kurzarbeit Null. Der Arbeitnehmer sei in diesem Zeitraum wie ein Teilzeitbeschäftigter zu behandeln, sodass sich sein jährlicher Urlaub verringere.

Vereinbarkeit mit der EuGH-Rechtsprechung

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf verweist zudem auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 08.11.2012 – C-229/11, C-230/11), wonach Kurzarbeiter vorübergehend als teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer anzusehen seien und der Urlaubsanspruch gekürzt werden könne. Denn anders als bei Krankheit könne sich der Arbeitnehmer bei Kurzarbeit entweder ausruhen oder Freizeitaktivitäten nachgehen. Psychische oder physische Leiden, wie bei einer Erkrankung, stehen dem nicht entgegen.

Nicht entscheidend sei, dass Kurzarbeit keine planbare Freizeit beinhaltet. Denn für die Entstehung des Urlaubsanspruchs kommt es allein darauf an, ob eine Arbeitspflicht besteht und nicht auf die Frage der Erholung.

Verfahrensgang:

LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2021 – 6 Sa 824/20; Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 06.10.2020 – 1 Ca 2155/20

Das Landesarbeitsgericht hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen (Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 9 AZR 225/21).

Praxistipp:

Zwar entspricht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, dass Kurzarbeit Null zu einer anteiligen Kürzung des Urlaubs führt, der ganz überwiegenden Auffassung. Arbeitgeber sollten jedoch in der Zwischenzeit bis zur höchstrichterlichen Klärung dieser Rechtsfrage vorsorglich eine schriftliche Vereinbarung zur anteiligen Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit Null mit den Arbeitnehmern treffen. Denn das Konfliktpotenzial beim Urlaub ist hoch, wie die vielen bereits anhängigen Verfahren bei den Arbeitsgerichten zeigen.

Erstellung Jahresabschluss 2020

Das aktuelle Urteil hat nicht nur arbeitsrechtliche Relevanz, sondern sollte auch bei der Erstellung des Jahresabschlusses 2020 berücksichtigt werden. In der Regel sind Unternehmen nach § 249 Abs. 1 S. 1 HGB verpflichtet, für noch ungenutzten und nicht verfallbaren Urlaub der Arbeitnehmer in der Handels- und Steuerbilanz Rückstellungen zu bilden. Da bei Kurarbeit Null kein Urlaubsanspruch besteht, ist die Urlaubsrückstellung in der Bilanz ergebniswirksam aufzulösen.

Weiteres zum Thema Urlaub: Wohl keine Urlaubskürzung außerhalb von Kurzarbeit Null 

Stand: 26.08.2021

Ansprechpartner:

Sabine Stölzel (Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht)
Melanie Wilhelm (LL.M.,  Rechtsanwältin)

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Urlaubskürzung nur bei Kurzarbeit Null

Das Arbeitsgericht Osnabrück hatte sich mit der Frage zu befassen, ob auch bei teilweiser Kurzarbeit der Urlaubsanspruch gekürzt wird und entschied wie folgt:

Anders als bei Kurzarbeit Null ist der Arbeitgeber bei lediglich teilweiser Kurzarbeit nicht berechtigt, den Urlaub der betroffenen Arbeitnehmer zu kürzen.

 

 

 

 

Weniger Urlaubsanspruch auch außerhalb von Kurzarbeit Null?

Im beklagten Unternehmen wurde an einzelnen Tagen Kurzarbeit durch mehrere Betriebsvereinbarungen eingeführt. Eine Reduzierung der Arbeitszeit auf Null fand nicht statt. Erst kurze Zeit vor Beginn der Kurzarbeit wurde immer die jeweils dafür geltende Betriebsvereinbarung abgeschlossen. Nach den Betriebsvereinbarungen war es dem Arbeitgeber gestattet, die Kurzarbeit mit einer Ankündigungsfrist von zwei Werktagen zu beenden oder zu reduzieren.

Der klagende Arbeitnehmer begehrte die Gutschrift von Urlaubstagen, die der Arbeitgeber für Zeiten der Kurzarbeit anteilig kürzte.

Keine Kürzung des Urlaubs bei teilweiser Kurzarbeit

Das Arbeitsgericht Osnabrück hat mit Urteil vom 08.06.2021 (Az.: 3 Ca 108/21) dem Arbeitnehmer Recht gegeben und eine anteilige Kürzung des Urlaubs verneint. Wird bei einer Kurzarbeitsvereinbarung die Arbeitszeit für den Zeitraum der Kurzarbeit nicht auf Null herabgesetzt, bestehe – anders als bei Kurzarbeit Null – keine vergleichbare Rechtslage zum Teilzeitrecht oder sonstigen andauernden Unterbrechungen der gegenseitigen Leistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Hätte der Gesetzgeber eine anteilige Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit gewollt, hätte er dies auch zum Ausdruck gebracht. Dies habe der Gesetzgeber nicht nur unterlassen, sondern nach dem Bundesurlaubsgesetz gerade deutlich gemacht, dass Kurzarbeit nicht zur Verdienstschmälerung des Urlaubsentgelts dienen solle.

Die Durchführung der Kurzarbeit nur an einzelnen Tagen sowie die sehr kurzen Ankündigungs- und Beendigungsfristen stünden einer Kürzung ebenfalls entgegen, da dann nicht die gleiche Rechtswirkung eintreten könne, wie bei einem länger andauernden Ruhen des Arbeitsverhältnisses. Arbeitnehmer hätten in dieser Konstellation ihren Urlaub nicht bereits anteilig realisiert.

Ausblick auf die Rechtsprechung zum Urlaub bei Kurzarbeit

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das Arbeitsgericht Osnabrück die Berufung zum Landesarbeitsgericht Niedersachsen zugelassen.

Praxistipp:

Dem Arbeitsgericht Osnabrück ist insoweit zuzustimmen, dass die kurzfristige Anordnung einer lediglich punktuellen Kurzarbeit nicht mit einer planbaren Arbeitsbefreiung vergleichbar ist.

Anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn es sich um monatsweise Kurzarbeit Null handelt. Dann kann nach dem LAG Düsseldorf (Urteil vom 12.03.2021, Az.: 6 Sa 824/20) der Urlaub für die Monate mit Kurzarbeit gekürzt werden. Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundesarbeitsgericht (Az.: 9 AZR 225/21) anhängig. Bis das Bundesarbeitsgericht eine abschließende Entscheidung getroffen hat, sollte bei Kurzarbeit Null eine vertragliche Vereinbarung zur Kürzung des Urlaubs zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossen werden.

Stand: 12.07.2021

Ansprechpartner:

Sabine Stölzel (Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht)
Melanie Wilhelm (LL.M.,  Rechtsanwältin)

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