Das Kündigungsrecht des Auftraggebers bei Mängeln vor Abnahme der Leistung aus der VOB/B hält bei Verwendung durch den Auftraggeber der Inhaltskontrolle nicht stand, wenn die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden ist. Wann aber gilt die VOB/B „als Ganzes vereinbart“? Das hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 19.01.2023 klargestellt.
Besonderes Kündigungsrecht aus VOB/B
Nachdem die Bauarbeiten begonnen haben, rügte der Auftraggeber die Qualität des verbauten Betons und verlangte Mängelbeseitigung. Nachdem die Mängel nach einer gesetzten Frist nicht beseitigt wurden, erklärte der Auftraggeber die außerordentliche Kündigung. Das Gericht musste sich nun damit befassen, ob der Auftraggeber sich bei der Kündigung auf § 4 Nr. 7 VOB/B beziehen durfte. Die genannte Bestimmung gibt das Recht, zu kündigen, wenn der Auftragnehmer die Mängel nicht fristgerecht beseitigt. Die Besonderheit liegt darin, dass entgegen dem Gesetz die Pflicht zur Mängelbeseitigung auch vor der vertraglichen Fertigstellungsfrist entsteht. Die Klägerin rügte, dass § 4 Nr. 7 VOB/B den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt, § 307 BGB, und somit unwirksam ist.
VOB/B vs. AGB
Der Kern der Frage für die Praxis ist, ob einzelne Bestimmungen der VOB/B der AGB-Kontrolle unterliegen. Was dazu führt, dass einige Bestimmungen – wie hier – nach den §§ 307 ff. BGB unwirksam sind. Die Rechtsprechung hält an der sogenannten „Privilegierung“ der VOB/B fest, wonach einzelne – eigentlich unwirksame – Bestimmungen der VOB/B nicht durch § 307 BGB außer Kraft gesetzt werden können. Vorausgesetzt wird lediglich, dass die VOB/B als Ganzes vereinbart und nicht durch eigene AGB geändert wird.
Alles oder Nichts!
Wie bezieht man die VOB/B „als Ganzes“ in den Vertrag ein? Das BGH hat nun festgestellt, dass eine rein formelle Einbeziehung des VOB/B einerseits ausreicht. Der Verwender des Vertrages muss aber gewährleisten, dass der restliche Vertrag nicht den Bedingungen der VOB/B widerspricht. Dazu genügen auch kleinste Abweichungen von dem Text der VOB/B, so dass besondere Vorsicht geboten ist. Im vorliegenden Fall hat der BGH überraschenderweise einzelne Vertragsklauseln entdeckt, die den Inhalt der VOB/B modifizieren. So wurde (wie seit Jahren üblich) vereinbart, dass der Auftraggeber bei Abschlagzahlungen nur 90 % der nachgewiesenen Leistungen zahlen muss (10 % Vertragserfüllungssicherheit). Darin hat der BGH eine Modifizierung zu § 16 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOB/B gesehen, wonach Abschlagszahlungen – wie in § 632 a BGB – vollständig und ohne Abzug zu zahlen sind. Folglich wurde die VOB/B nicht als Ganzes einbezogen, wodurch die Inhaltskontrolle des § 307 BGB auf alle Bestimmungen der VOB/B stattfinden konnte.
Das Unangenehme für den Verwender von AGB ist dann nicht nur, dass einerseits Bestimmungen unwirksam sind, die zu Lasten des anderen Vertragspartners gehen, sondern auch, dass die Bestimmungen zu Lasten des Verwenders wirksam bleiben.
Praxistipp:
Wenn in Ihren Verträgen die VOB/B gelten soll, sind 2 Punkte zu beachten:
- Halten Sie vertraglich fest, dass die VOB/B als Ganzes in den Vertrag einbezogen wird.
- Lassen Sie Ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen dahingehend überprüfen, ob Ihre Vertragsklauseln nicht doch die Bestimmungen des VOB/B modifizieren.
Stand: 10.3.2023
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RA Boris Burtin Fachanwalt Baurecht & Architektenrecht • Grundstücksrecht & Immobilienrecht • Mietrecht & Wohnungseigentumsrecht • Bankrecht & Kapitalmarktrecht
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