Die Publizität des Handelsregisters gilt auch gegenüber Sozialversicherungsträgern.
Ist ein Geschäftsführer, der gleichzeitig mitbestimmender Gesellschafter ist, nicht im Handelsregister eingetragen, so kann der Sozialversicherungsträger diesen als abhängig Beschäftigten einstufen. Dadurch ist er sozialversicherungspflichtig.
Dies bestätigte das Landessozialgericht (LSG) Bayern mit Urteil vom 06.12.2023 (Az.: L 6 BA 97/21).
Sachverhalt
Eine GmbH wurde 2010 durch zwei Personen gegründet, die jeweils 50 % der Anteile hielten. Nach dem Tod eines Gesellschafters veräußerte der Erbe dessen Geschäftsanteil 2014 an einen Neugesellschafter. Dieser wurde unmittelbar danach durch Gesellschafterbeschluss zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt. Die Bestellung wurde erst im Jahr 2019 in das Handelsregister eingetragen. Bei einer Betriebsprüfung für den Zeitraum 2015 bis 2018 stellte der Sozialversicherungsträger fest, dass der Geschäftsführer als abhängig Beschäftigter sozialversicherungspflichtig ist. Die GmbH soll nun für den Zeitraum die Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen.
Entscheidung zur Publizität des Handelsregisters
Das LSG Bayern bestätigte die Einstufung als Beschäftigter, da der Sozialversicherungsträger auf den Inhalt des Handelsregisters vertrauen darf.
Die Sozialversicherungspflicht eines Gesellschafters besteht gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV, wenn eine abhängige Beschäftigung vorliegt. Hingegen ist der Gesellschafter selbstständig, wenn er die Geschicke der Gesellschaft mitbestimmt.
Ein Gesellschafter, der über 50 % der GmbH-Anteile hält, kann Einfluss auf die Gesellschaft ausüben, gleichwohl ob er Geschäftsführer oder nur Mitarbeiter ist. Er ist daher als Selbstständiger nicht sozialversicherungspflichtig. Hält der Gesellschafter exakt 50 % der Anteile und kann er daher Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern (Sperrminorität), bestimmt er die Geschicke der Gesellschaft mit, wenn er zusätzlich Geschäftsführer ist. Hingegen besteht ein Beschäftigungsverhältnis, sofern ein solcher Gesellschafter lediglich im Unternehmen mitarbeitet. Als Mitarbeiter besteht keine einem Selbstständigen vergleichbare Stellung. Im laufenden Geschäft ist der Mitarbeiter in seiner Vertretungs- und Entscheidungsbefugnis üblicherweise erheblich eingeschränkter als ein Geschäftsführer. Er kann in Kombination mit seiner Sperrminorität nur blockieren, aber nicht selbst gestalten.
Die Bestellung eines Geschäftsführers muss jedoch gemäß § 39 Abs. 1 GmbHG ins Handelsregister eingetragen werden. Wird die Bestellung nicht im Handelsregister eingetragen, so darf der Sozialversicherungsträger die Stellung des Geschäftsführers anhand des Arbeitsvertrages beurteilen. Insofern gilt die (negative) Publizität des Handelsregisters nach § 15 HGB: Was im Handelsregister steht, muss die Gesellschaft gegen sich gelten lassen. Was dort nicht steht, kann sie Dritten gegenüber nicht einwenden. Der Gesellschafterbeschluss ist insofern auch unbeachtlich, da die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses durch das Registergericht noch nicht erfolgt ist.
Gegen das Urteil des LSG Bayern wurde Revision zum Bundessozialgericht (BSG) eingelegt (Az.: B 12 BA 1/24 R). Das letzte Wort ist somit noch nicht gesprochen.
Praxistipp:
Auch wenn die Geschäftsführerbestellung schon mit Gesellschafterbeschluss wirksam ist, sodass der Geschäftsführer bereits vor der Eintragung tätig werden kann, sollte die Eintragung ins Handelsregister zügig erfolgen. Denn der Inhalt (bzw. der Nicht-Inhalt) des Handelsregisters gilt sowohl im Rechtsverkehr als auch gegenüber Sozialversicherungsträgern. Dadurch lassen sich hohe Nachzahlungen an die Sozialversicherungen vermeiden.
Verfahrensgang:
Revision anhängig: BSG – B 12 BA 1/24 R
LSG Bayern, Urteil v. 06.12.2023 – L 6 BA 97/21
SG Bayreuth, Urteil v. 20.09.2021 – S 11 BA 54/20
Stand: 19.02.2024
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