Arbeitgeber trifft bei Bewilligung von Kurzarbeitergeld die Pflicht zur Interessenwahrung

Arbeitgeber sind verpflichtet im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren über die Bewilligung von Kurzarbeitergeld die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer zu wahren. Kommt der Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach, kann er sich nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB schadensersatzpflichtig machen. Das hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 26.08.2022 (Az.: 12 Sa 297/22) gerichtlich festgestellt.

Fehlerhafte Angaben bei der Beantragung von Kurzarbeitergeld (KUG)

Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer war eine monatliche Arbeitszeit von mindestens 100 Stunden vereinbart. Der Arbeitnehmer leistete aber regelmäßig deutlich mehr Stunden, nämlich zwischen 100 und 190 Stunden pro Monat. Zu Beginn der Coronapandemie führte der Arbeitgeber Kurzarbeit ein, wovon auch der Arbeitnehmer betroffen war. Der Arbeitgeber legte bei der Berechnung des Kurzarbeitergelds die nach seiner Auffassung vertraglich vereinbarte Arbeitszeit von 100 Stunden monatlich zugrunde.

Der Arbeitnehmer klagte daraufhin vor dem Arbeitsgericht auf Schadensersatz, da er der Ansicht war, sein Arbeitgeber habe unzutreffende Angaben zur Arbeitszeit bei der Bundesagentur für Arbeit gemacht.

Schadensersatz bei schuldhafter Pflichtverletzung des Arbeitgebers

Aus dem Arbeitsverhältnis entstammt die Nebenpflicht des Arbeitgebers, im Verwaltungsverfahren über die Bewilligung von Kurzarbeitergeld die Interessen der von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer zu wahren. Wird diese Pflicht vom Arbeitgeber schuldhaft verletzt, kann er sich schadensersatzpflichtig machen, so das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 26.08.2022 [Az.: 12 Sa 297/22]).

Welche Pflichtverletzungen kann der Arbeitgeber hierbei begehen?

Kein eigenes Antrags- oder Klagerecht des Arbeitnehmers bei Kurzarbeitergeld (KUG)

Das Kurzarbeitergeld ist zwar ein Anspruch des Arbeitnehmers (§ 95 SGB III ). Es ist aber Aufgabe des Arbeitgebers, das Kurzarbeitergeld zu beantragen, zu errechnen und auszuzahlen (§§ 320 Abs. 1 S. 2 , 323 Abs. 2 S. 1 SGB III ) sowie für den Arbeitnehmer geltend zu machen. Der Arbeitnehmer hat im Verwaltungsverfahren bzw. im sozialgerichtlichen Verfahren kein eigenes Antrags- oder Klagerecht wegen der Bewilligung von höherem Kurzarbeitergeld.

Stattdessen wird der Arbeitgeber bei der Antragstellung und in einem etwaigen Rechtsmittelverfahren wegen der Bewilligung von Kurzarbeitergeld treuhänderisch für den Arbeitnehmer tätig. Aufgrund dieser treuhänderischen Stellung treffen den Arbeitgeber im Rahmen der Beantragung von Kurzarbeitergeld die in § 320 Abs. 1 SGB III genannten Pflichten. Ein Schadensersatzanspruch der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber kommt mithin in Betracht, wenn dem Arbeitgeber in diesem Pflichtenkreis von ihm zu vertretende Pflichtverletzungen unterlaufen.

Praxistipp:

Der Arbeitnehmer wird im Sozialverwaltungsverfahren und im sozialgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt, wenn Ansprüche auf Kurzarbeitergeld geltend gemacht werden sollen. Die Verfahren führt der Arbeitgeber. Für Arbeitgeber ist es daher umso wichtiger, die ergangenen Bescheide der Bundesagentur für Arbeit zur Kurzarbeit nicht ohne weitere Prüfung durchzuwinken, sondern die Beantragung und Berechnung sowie auch die Bewilligung von Kurzarbeitergeld gewissenhaft durchzuführen und zu prüfen.

Durch unsere jahrelange Erfahrung als Steuerbüro mit eigener Lohnabteilung und unsere auf Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwältinnen stehen wir Ihnen als kompetenter Ansprechpartner bei allen Fragen rund ums Thema Kurzarbeitergeld zur Verfügung.

Verfahrensgang:

Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt unter dem Aktenzeichen 8 AZN 618/22

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.08.2022, Az.: 12 Sa 297/22 

ArbG Berlin, Urteil vom 02.02.2022, Az.: 29 Ca 7423/20

Stand: 14.12.2022

Ansprechpartner:

Sabine Stölzel (Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht)

Melanie Wilhelm (LL.M., Rechtsanwältin)

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