Verfall von Urlaub bei Krankheit

Sind Arbeitnehmer*innen dauerhaft erkrankt, können sich Urlaubsansprüche schnell addieren. Um dies zu verhindern, verfiel der gesetzliche Urlaubsanspruch bei Langzeiterkrankungen bislang spätestens 15 Monate nach Ablauf des entsprechenden Urlaubsjahres (15-Monatsfrist).

Das BAG (Urteil vom 20.12.2022, Az.: 9 AZR 245/19) hat seine Rechtsprechung hierzu nun geändert:

Bei Arbeitnehmer*innen, die erst im Laufe des Urlaubsjahres arbeitsunfähig erkranken, erlischt der Urlaubsanspruch aus diesem Jahr nur, wenn sie zuvor über den Urlaubsanspruch unterrichtet wurden.

Langzeitkrank und Urlaubsanspruch

Das BAG hatte 2022 (Urteil vom 20.12.2022, Az.: 9 AZR 245/19) zu entscheiden, ob einem Arbeitnehmer einer Flughafengesellschaft nach Ablauf seiner befristeten Erwerbsminderungsrente im Jahr 2019 noch Resturlaub aus dem Jahr 2014 zustand. Der Arbeitnehmer konnte vom 01.12.2014 bis mindestens August 2019 seine Arbeitsleistung wegen voller Erwerbsminderung nicht erbringen und somit auch seinen Urlaub nicht nehmen. Der Bezug der befristeten Erwerbsunfähigkeitsrente steht einer Langzeiterkrankung gleich.

Nach Auffassung des Arbeitnehmers sei sein Urlaub nicht verfallen, da sein Arbeitgeber nicht bei der Gewährung und der Inanspruchnahme des Urlaubs mitgewirkt habe.

Ohne Zutun des Arbeitgebers verfällt Urlaub nicht

Urlaubsansprüche erlöschen grundsätzlich nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG), wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmer*innen zuvor durch Erfüllung sog. Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt hat, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen, aber diese den Urlaub aus freien Stücken nicht genommen haben.

Rechtsprechungsänderung zum Verfall von Urlaub bei Arbeitsunfähigkeit

Bisher verfiel der gesetzliche Urlaubsanspruch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit ohne weiteres mit Ablauf des 31.03. des zweiten Folgejahres (15-Monatsfrist). Diese Rechtsprechung hat das BAG aufgrund der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 22.09.2022 (– C- 518/20 und C-727/20) nun weiterentwickelt:

Sind Arbeitnehmer*innen von Beginn eines Urlaubsjahres (01.01.) durchgehend bis zum 31.03. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert, ihren Urlaub anzutreten, verfällt der Urlaub weiterhin mit Ablauf der 15- Monatsfrist. Für diesen Fall kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist, weil diese nicht zur Inanspruchnahme des Urlaubs hätten beitragen können.

Haben die Arbeitnehmer*innen dagegen im Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet, setzt ein Verfall des Urlaubsanspruchs regelmäßig voraus, dass der Arbeitgeber die Arbeitnehmer*innen rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage versetzt hat, ihren Urlaub auch tatsächlich zu nehmen.

Arbeitnehmer*in erhält Resturlaub

Im Fall des klagenden Arbeitnehmers ist damit der Resturlaubsanspruch für das Jahr 2014 in Höhe von 24 Arbeitstagen nicht erloschen, weil der Arbeitnehmer im Jahr der Erkrankung noch tatsächlich gearbeitet hat und der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten bis zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 01.12.2014 nicht nachgekommen ist.

Praxistipp:

Welche Konsequenzen hat die Entscheidung des BAG für die Praxis? Sie als Arbeitgeber müssen künftig Folgendes beachten und Ihre Arbeitnehmer*innen entsprechend informieren:

  • Wie hoch ist der noch verbleibende konkrete Urlaubsanspruch? Differenzieren Sie bereits hier zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und dem zusätzlich vereinbarten Mehrurlaub (z.B. durch Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung). Europarechtliche und bundesgesetzliche Einschränkungen des Verfalls von Urlaub betreffen immer nur den gesetzlichen Mindesturlaub. Der Verfall von zusätzlich vereinbartem Mehrurlaub kann im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung sowie einem Tarifvertrag gesondert geregelt werden.
  • Fordern Sie Ihre Arbeitnehmer*innen auf, die konkret bezifferten Urlaubstage noch bis zum Jahresende zu nehmen und weisen Sie darauf hin, welche Verfall- und Verjährungsfristen jeweils für den gesetzlichen Mindesturlaub und den zusätzlich vereinbarten Mehrurlaub gelten.
  • Der Hinweis muss so rechtzeitig erfolgen, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub auch tatsächlich noch nehmen kann. Da eine Arbeitsunfähigkeit meist nicht vorhersehbar ist, sollten regelmäßige Intervalle zur Belehrung eingerichtet werden.
  • Die Belehrung muss vom Arbeitgeber zu Nachweiszwecken dokumentiert werden.

Verfahrensgang:

BAG, Urteil vom 20.12.2022, Az.: 9 AZR 245/19 

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 7. März 2019, Az.: 9 Sa 145/17 

Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 13.12.2016, Az.: 3 Ca 8481/15

Stand: 03.01.2023

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Urlaub: Keine Belehrung – keine Verjährung

Urlaub verjährt nur dann, wenn der Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt wird und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Das hat das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 20.12.2022, Az.: 9 AZR 266/20 ) aktuell entschieden.

Hinweispflicht des Arbeitgebers?

Eine Angestellte einer Steuerkanzlei nahm über Jahre hinweg (1996 bis Mitte 2017) nur teilweise ihren Jahresurlaub in Anspruch. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhielt die Arbeitnehmerin eine Abgeltung für 14 Urlaubstage. Nach ihrer Ansicht waren allerdings noch weitere 101 Urlaubstage übrig, für die sie ebenfalls eine Abgeltung verlangte. Diese Forderung machte sie gerichtlich geltend. Der Arbeitgeber war dagegen der Auffassung, die Urlaubsansprüche seien bereits verjährt.

Mit dieser Argumentation hatte der Arbeitgeber vor dem BAG keinen Erfolg.

Keine Belohnung für Pflichtverletzung

Die Vorschriften über die Verjährung (§ 214 Abs. 1 BGB , § 194 Abs. 1 BGB) finden zwar grundsätzlich Anwendung auf den gesetzlichen Mindesturlaub. Bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist jedoch erst mit Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub aus freien Stücken nicht genommen hat.

EuGH zur Verjährung von Urlaub

Mit der vorgenannten Rechtsprechung setzt das BAG die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 22.09.2022, Az.: C-120/21 ) um. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Zweck der Verjährungsvorschriften die Gewährleistung von Rechtssicherheit. In der vorliegenden Fallkonstellation tritt dieser Zweck hinter dem Ziel von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zurück, die Gesundheit des Arbeitnehmers durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme zu schützen. Die Gewährleistung der Rechtssicherheit dürfe nicht als Vorwand dienen, um zuzulassen, dass sich der Arbeitgeber auf sein eigenes Versäumnis berufe, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben. Der Arbeitgeber könne die Rechtssicherheit gewährleisten, indem er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole.

Arbeitgeber kam Hinweispflicht nicht nach

In dem vom BAG (Urteil vom 20.12.2022, Az.: 9 AZR 266/20 )  zu entscheidenden Verfahren kam der Arbeitgeber diesen Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht nach, sodass die Ansprüche weder am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG ) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG ) noch mit Ablauf von drei Jahren verjährt sind.

Praxistipp:

Welche Konsequenzen hat die Entscheidung des BAG für die Praxis? Sie als Arbeitgeber müssen künftig Folgendes beachten und ihre Arbeitnehmer entsprechend informieren:

  • Wie hoch ist der noch verbleibende konkrete Urlaubsanspruch? Differenzieren Sie bereits hier zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und dem zusätzlich vereinbarten Mehrurlaub (z.B. durch Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung). Europarechtliche und bundesgesetzliche Einschränkungen des Verfalls von Urlaub betreffen immer nur den gesetzlichen Mindesturlaub. Der Verfall von zusätzlich vereinbartem Mehrurlaub kann im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung sowie einem Tarifvertrag gesondert geregelt werden.
  • Fordern Sie Ihre Mitarbeiter*innen auf, die konkret bezifferten Urlaubstage noch bis zum Jahresende zu nehmen und weisen Sie daraufhin, welche Verfall- und Verjährungsfristen jeweils für den gesetzlichen Mindesturlaub und den zusätzlich vereinbarten Mehrurlaub gelten.
  • Der Hinweis muss so rechtzeitig erfolgen, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub auch tatsächlich noch nehmen kann.
  • Die Belehrung muss vom Arbeitgeber zu Nachweiszwecken dokumentiert werden.

Verfahrensgang:

BAG, Urteil vom 20.12.2022, Az.: 9 AZR 266/20 

LAG Düsseldorf, Urteil vom 21.02.2020, Az.: 10 Sa 180/19 

Arbeitsgericht Solingen, Urteil vom 19.02.2019, Az.: 3 Ca 155/18 

Stand: 23.12.2022

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Urlaub oder Quarantäne?

Müssen Urlaubstage im Fall der Quarantäne des Arbeitnehmers während seines genehmigten Urlaubs nachgewährt werden, auch wenn der Arbeitnehmer nicht arbeitsunfähig ist?

Diese Frage haben sich bereits mehrere Landesarbeitsgerichte stellen müssen und bislang einheitlich entschieden: Fällt die Quarantäne in den Zeitraum des genehmigten Urlaubs müssen Urlaubstage nicht nachgewährt werden. Denn es liegt keine Arbeitsunfähigkeit vor.

Das Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 27.01.2022, Az.: 5 Sa 1030/21)  sieht das anders und hat nun der Klage eines Arbeitnehmers stattgegeben und ihm die in den Zeitraum der Quarantäne fallenden Urlaubstage zugesprochen. Da das Urteil des Landesarbeitsgericht Hamm von den Urteilen anderer Landesarbeitsgerichte abweicht, wurde die Revision zum Bundesarbeitsgericht gem. § 72 Abs. 2 Ziff. 1, 2 ArbGG zugelassen. Die Revision wurde eingelegt, sodass das Verfahren nunmehr beim Bundesarbeitsgericht anhängig ist. Das Bundesarbeitsgericht hat am 16.08.2022 ein Vorabentscheidungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof eingeleitet, um die Frage aus unionsrechtlicher Sicht klären zu lassen.

Urlaub während einer Covid-19-Quarantäne, wenn keine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt

Der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Arbeitnehmer war beim Arbeitgeber als Schlosser beschäftigt und musste sich im Oktober 2020 als Kontaktperson aufgrund einer behördlichen Anordnung in Quarantäne begeben. In diesem Zeitraum lag auch der genehmigte Urlaub des Arbeitnehmers. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung legte der Arbeitnehmer für den Zeitraum der Quarantäne nicht vor. Der Arbeitgeber sah die Urlaubstage während der Quarantäne als genommen an. Daraufhin verlangte der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht die Nachgewährung seiner Urlaubstage für den Zeitraum der Quarantäne.

Keine Gutschrift von Urlaubstagen während der Quarantäne

Das Arbeitsgericht Hagen (Urteil vom 28.07.2021, 2 Ca 2784/20) wies die Klage in erster Instanz ab. In der Berufungsinstanz vor dem LAG Hamm (Urteil vom 27.01.2022, Az.: 5 Sa 1030/21) hatte der Arbeitnehmer dagegen Erfolg.

Analoge Anwendung von § 9 BUrlG 

Nach Ansicht des LAG Hamm (Urteil vom 27.01.2022, Az.: 5 Sa 1030/21)  ist eine analoge Anwendung von § 9 BUrlG geboten. Es bestehe eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzgebers und eine vergleichbare Interessenlage wie bei einer Erkrankung des Arbeitnehmers. Denn eine Erholung des Arbeitnehmers sei durch die Quarantäneanordnung unmöglich, da der Arbeitnehmer erheblich in seiner Freizeitgestaltung eingeschränkt sei und zudem jederzeit mit einem Krankheitsausbruch rechnen müsse. Der Arbeitnehmer sei krankheitsähnlich an der Wahrnehmung seines Urlaubs gehindert. Die Anordnung einer Quarantäne steht damit einer freien, selbstbestimmten Gestaltung des Urlaubszeitraumes diametral gegenüber, unabhängig davon, wie der einzelne Betroffene diese persönlich empfindet.

Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH

Das Verfahren ist derzeit beim Bundesarbeitsgericht anhängig, das ein Vorabentscheidungsersuchen (BAG, Beschluss vom 16.08.2022, Az.: 9 AZR 76/22) an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet hat. Er soll die Frage beantworten, ob aus dem Unionsrecht die Verpflichtung des Arbeitgebers abzuleiten ist, einem Arbeitnehmer bezahlten Erholungsurlaub nachzugewähren, wenn der Arbeitnehmer zwar während des Urlaubs selbst nicht erkrankt ist, in dieser Zeit aber eine behördlich angeordnete häusliche Quarantäne einzuhalten hatte.

Verfahrensgang:

BAG, Beschluss vom 16.08.2022, Az.: 9 AZR 76/22

LAG Hamm, Urteil vom 27.01.2022, Az.: 5 Sa 1030/21

ArbG Oberhausen, Urteil vom 28.07.2021, Az.: 3 Ca 321/21

Praxistipp:

Die durchgehende Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte lehnt die Ansicht des LAG Hamm bislang ab und erkennt keine Vergleichbarkeit zwischen der Quarantäne und der Erkrankung eines Arbeitnehmers in Bezug auf die Gewährung von Urlaub. Ob das der EuGH auch so sieht, bleibt abzuwarten.

Weiteres zum Thema Urlaub und Quarantäne:

Stand: 16.09.2022

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BAG: Kürzung Urlaub – bei Kurzarbeit Null

Nachdem sich zunächst das LAG Düsseldorf damit zu beschäftigen hatte, ob Urlaubstage während Zeiten der sogenannten Kurzarbeit Null gekürzt werden können, entschied nun das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 30.11.2021 – 9 AZR 225/21):

 

Kürzung des Urlaubsanspruchs durch den Arbeitgeber

Die Arbeitnehmerin ist seit 2011 drei Tage wöchentlich als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten beschäftigt. Ihr Urlaubsanspruch beträgt bei einer vereinbarten Dreitagewoche jährlich 14 Arbeitstage (28 Werktage bei der im Unternehmen bestehenden Sechstagewoche).

Das beklagte Unternehmen musste aufgrund des durch die Corona-Pandemie verursachten Arbeitsausfalls im Jahr 2020 Kurzarbeit einführen. Die klagende Arbeitnehmerin erbrachte in den Monaten April, Mai und Oktober 2020 aufgrund der angeordneten Kurzarbeit überhaupt keine Arbeitsleistung. In den Monaten November und Dezember 2020 arbeitete sie nur an insgesamt fünf Tagen.  Die Arbeitgeberin kürzte daraufhin den Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin um 2,5 Arbeitstage auf 11,5 Arbeitstage. Die Arbeitnehmerin war der Ansicht, ihr stünde der volle Urlaub von 14 Arbeitstagen für das Jahr 2020 zu und zog vor das Arbeitsgericht.

Die Vorinstanzen [Arbeitsgericht Essen (Urteil vom 06.10.2020 – 1 Ca 2155/20) und LAG Düsseldorf (Urteil vom 12.03.2021 – 6 Sa 824/20)] haben die Klage abgewiesen und auch vor dem BAG hatte die Arbeitnehmerin keinen Erfolg.

Die Arbeitnehmerin hat keinen Anspruch auf den vollen Jahresurlaub.

Berechnung des Urlaubsanspruchs bei einer von § 3 Abs. 1 BUrlG abweichenden wöchentlichen Arbeitszeit 

§ 3 Abs. 1 BUrlG regelt den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch. Dieser beläuft sich bei einer gleichmäßigen Verteilung der Arbeit auf sechs Tage wöchentlich auf 24 Werktage. Wird weniger oder mehr als sechs Tage wöchentlich gearbeitet, verändert sich auch die Anzahl der Urlaubstage entsprechend, um für alle Arbeitnehmer eine gleichwertige Urlaubsdauer zu gewährleisten. Ist also die Arbeitszeit auf weniger oder mehr als sechs Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, ist die Anzahl der Urlaubstage grundsätzlich unter Berücksichtigung des für das Urlaubsjahr maßgeblichen Arbeitsrhythmus zu berechnen. Berechnet wird der Urlaubsanspruch dann wie folgt: 24 Werktage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage. Haben die Parteien keine von § 3 BUrlG abweichende Regelung zum vertraglichen Mehrurlaub getroffen, gilt diese Berechnung auch hierfür.

Im beklagten Unternehmen werden bei einer Sechstagewoche 28 Werktage Urlaub gewährt. Die klagende Arbeitnehmerin arbeitete drei Tage wöchentlich, sodass sich die Tage mit Arbeitspflicht auf 156 Tage im Jahr belaufen. Unter Beachtung der vorstehenden Formel ergibt sich daher folgende Berechnung für den Jahresurlaub der klagenden Arbeitnehmerin: 28 Werktage x 156 Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage = 14 Arbeitstage Urlaubsanspruch

Anteilige Kürzung des Urlaubs bei Kurzarbeit Null ist rechtens

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts rechtfertigt auch der kurzarbeitsbedingte Ausfall ganzer Arbeitstage eine unterjährige Neuberechnung des Urlaubsanspruchs. Denn die aufgrund einzelvertraglich vereinbarter Kurzarbeit ausgefallenen Arbeitstage sind weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht wie Zeiten mit Arbeitspflicht zu behandeln.

Für die klagende Arbeitnehmerin bedeutet dies, dass sich ihr Urlaubsanspruch allein durch die vollständige Kurzarbeit in den Monaten April, Mai und Oktober 2020 auf 10,5 Arbeitstage verringert (28 Werktage x 117 Tage mit Arbeitspflicht durch 312 Werktage).

Verfahrensgang:

BAG, Urteil vom 30.11.2021 – 9 AZR 225/21;

LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2021 – 6 Sa 824/20;

Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 06.10.2020 – 1 Ca 2155/20

Praxistipp:

Damit ist nun höchstrichterlich geklärt, dass sich der Urlaubsanspruch für Zeiten von Kurzarbeit Null anteilig kürzt. Diese Grundsätze finden auch dann Anwendung, wenn die Kurzarbeit aufgrund einer Betriebsvereinbarung eingeführt wurde (BAG, Urteil vom 30.11.2021 – 9 AZR 234/21). Auch wenn zu hoffen bleibt, dass sich im Jahr 2022 die Einführung von Kurzarbeit reduziert und diese Thematik daher nur noch in Ausnahmefällen relevant wird, ist Arbeitgebern mit dieser Entscheidung zumindest hinsichtlich des Urlaubsanspruchs eine finanzielle Erleichterung verschafft worden.

Das Bundesarbeitsgericht zeigt mit seiner Rechtsprechung, dass bei der Lohnabrechnung ein zweiter Blick von Vorteil sein kann. Denn das hier beklagte Unternehmen wäre nur zur Gewährung von 10,5 Urlaubstagen verpflichtet gewesen und zahlte der Arbeitnehmerin damit zu viel Urlaub für das Jahr 2020 aus.

Stand: 03.12.2021

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Quarantäne, Urlaub oder beides?

Die seit Beginn der Corona-Pandemie diskutierte Frage, ob Urlaubstage eines Arbeitnehmers während einer behördlich angeordneten Quarantäne auf den Jahresurlaub angerechnet werden, hatte nun das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 15.10.2021, Az.: 7 Sa 857/21) zu klären und entschied wie folgt:

 

Eine behördliche Isolierungsanordnung (Quarantäne) erfüllt nicht die Voraussetzungen zur Nachgewährung von Urlaubstagen im Sinne des § 9 BUrlG.

 

 

 

Urlaub während einer Covid-19-Quarantäne, wenn keine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt

Die Arbeitnehmerin beantragte für den Zeitraum vom 10.12.2020 bis 31.12.2020 Erholungsurlaub, welcher ihr von der Arbeitgeberin auch gewährt wurde. Die Arbeitnehmerin musste sich aufgrund des Kontakts mit ihrer mit COVID-19 infizierten Tochter bis zum 16.12.2020 in häusliche Quarantäne begeben. Am 16.12.2020 wurde dann bei der Arbeitnehmerin selbst eine Infektion mit COVID-19 festgestellt. Das Gesundheitsamt ordnete daher mit Bescheid vom 17.12.2020 eine häusliche Quarantäne vom 06.12.2020 bis zum 23.12.2020 an. Im Bescheid des Gesundheitsamts war der Hinweis aufgeführt, dass die Arbeitnehmerin als „Kranke“ im Sinne des § 2 Nr. 4 IfSG anzusehen sei.

Ein ärztliches Zeugnis, sprich eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, existiert nicht.

Die Arbeitnehmerin forderte ihre Arbeitgeberin auf, ihr die Urlaubstage, die in den Quarantänezeitraum fielen, wieder gutzuschreiben. Als die Arbeitgeberin dieser Aufforderung nicht nachkam, erhob die Arbeitnehmerin Klage.

 

Keine Gutschrift von Urlaubstagen während der Quarantäne

Das LAG Düsseldorf wies die Klage der Arbeitnehmerin, wie bereits die Vorinstanz (ArbG Oberhausen, Urteil vom 28.07.2021, Az.: 3 Ca 321/21), ab.

Das LAG Düsseldorf beruft sich in seiner Urteilsbegründung auf § 9 BUrlG. Dieser enthält folgende Regelung zur Erkrankung eines Arbeitnehmers während seines Urlaubs: „Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Attest nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet“.

Nach Ansicht des LAG Düsseldorf unterscheide die Regelung in § 9 BUrlG zwischen der Erkrankung und der darauf beruhenden Arbeitsunfähigkeit. Beide Begriffe seien nicht gleichzusetzen. Sollen Urlaubstage bei bereits bewilligtem Urlaub nicht angerechnet werden, sei zwingend ein ärztliches Attest notwendig. Dieses müsse feststellen, dass die Arbeitsunfähigkeit gerade auf einer Erkrankung des Arbeitnehmers beruhe.

Ein solches ärztliches Attest war im entschiedenen Fall nicht vorhanden. Der Hinweis im Bescheid des Gesundheitsamtes ersetzt keine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Eine analoge Anwendung des § 9 BUrlG im Fall der Quarantäne scheide ebenfalls aus. Es handle sich bei § 9 BUrlG um eine eng begrenzte Ausnahmevorschrift. Mit Ausnahme der Erkrankung des Arbeitnehmers werden andere urlaubsstörende Ereignisse nicht davon umfasst, da diese Teil des persönlichen Lebensschicksals sind. Zudem bestehe bei einer symptomlosen Erkrankung mit SARS-CoV-2 – entgegen der Sachlage bei Anwendung des § 9 BUrlG – nicht in jedem Fall auch eine Arbeitsunfähigkeit. Eine Vergleichbarkeit mit § 9 BUrlG scheide daher aus.

 

Das LAG Düsseldorf ist damit der Auffassung, dass Arbeitnehmer auch dann ihren Erholungsurlaub in Anspruch nehmen können, wenn eine häusliche Quarantäne angeordnet ist. Die Quarantäne ist demnach nicht vergleichbar mit dem Fall, dass während des Urlaubs eine Erkrankung auftritt und die Urlaubstage wieder gutgeschrieben werden. Erholungsurlaub ist auch während der Quarantäne vom Arbeitgeber zu gewähren und vom Arbeitnehmer in Anspruch zu nehmen.

 

Verfahrensgang:

LAG Düsseldorf, Urteil vom 15.10.2021, Az.: 7 Sa 857/21

ArbG Oberhausen, Urteil vom 28.07.2021, Az.: 3 Ca 321/21

 

Praxistipp:

Mit dieser Rechtsprechung folgt das LAG Düsseldorf den Entscheidungen einiger deutscher Arbeitsgerichte (ArbG Neumünster, Urteil vom 03.08.2021, Az.: 3 Ca 362 b/21 , ArbG Bonn, Urteil vom 07.07.2021, Az.: 2 Ca 504/21. Soweit daher noch keine abweichende höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt, kann unter Berufung auf das vorgenannte Urteil der bewilligte Erholungsurlaub auch im Quarantänezeitraum gewährt werden. Das LAG Düsseldorf hat allerdings die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Ob das Bundesarbeitsgericht die bisherige Auffassung in der Arbeitsgerichtsbarkeit teilt, bleibt abzuwarten.

Weiteres zum Thema Urlaub:
Urlaubskürzung nur bei Kurzarbeit Null 
Kürzung Urlaub – bei Kurzarbeit Null

Stand: 02.11.2021

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LAG: Kürzung Urlaub – bei Kurzarbeit Null

Damit hatte sich das LAG Düsseldorf zu beschäftigen und entschied wie folgt:

Ist der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit Null nicht zur Arbeit verpflichtet, kürzt sich anteilig sein Urlaub in diesen Zeiträumen.

 

Ausgangssituation für die Kürzung des Urlaubsanspruchs

Die Arbeitnehmerin ist seit 2011 als Verkaufshilfe mit Backtätigkeiten beschäftigt.

Das beklagte Unternehmen war, wie viele andere, von den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie betroffen und musste 2020 wiederholt Kurzarbeit einführen. Die Arbeitnehmerin befand sich demnach im Jahr 2020 drei Monate durchgehend in sog. Kurzarbeit Null. D.h. sie erbrachte in diesen Monaten überhaupt keine Arbeitsleistung. Die Arbeitgeberin kürzte daraufhin den Urlaubsanspruch der Arbeitnehmerin für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null um 1/12.

Die Arbeitnehmerin war der Ansicht, ihr stünde der volle Urlaub für das Jahr 2020 zu und zog vor das Arbeitsgericht.

Anteilige Kürzung des Urlaubs bei Kurzarbeit Null zulässig

Vor dem Arbeitsgericht Essen (Urteil vom 06.10.2020 – 1 Ca 2155/20) sowie vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 12.03.2021 – 6 Sa 824/20) unterlag die Arbeitnehmerin.

Der Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG setze – dem Grunde nach – allein das Bestehen des Arbeitsverhältnisses voraus. Er stehe nicht unter der Bedingung, dass tatsächlich gearbeitet wurde. Während der Kurzarbeit gelte somit nichts Anderes.

Vom Grundsatz der Entstehung des Urlaubsanspruchs zu trennen, sei aber die Höhe, in welcher der Urlaubsanspruch entsteht. § 3 BUrlG gehe von einem Mindesturlaub von 24 Werktagen aus, wenn an sechs Tagen pro Woche gearbeitet wird. Wird an weniger Tagen pro Woche gearbeitet, verringere sich auch der Urlaubsanspruch im gleichen Verhältnis. Wechselt die Arbeitspflicht unterjährig, müsse der gesetzliche Urlaubsanspruch unter Berücksichtigung der Wochentage mit Arbeitspflicht entsprechend umgerechnet werden. Unter Umständen müsse dann die Urlaubsdauer im Kalenderjahr mehrfach berechnet werden.

Dies gelte auch in Zeiträumen, in denen eine Befreiung von der Arbeitsverpflichtung, also eine Arbeitszeit von Null vereinbart worden ist und somit ebenso für Zeiträume der konjunkturellen Kurzarbeit Null. Der Arbeitnehmer sei in diesem Zeitraum wie ein Teilzeitbeschäftigter zu behandeln, sodass sich sein jährlicher Urlaub verringere.

Vereinbarkeit mit der EuGH-Rechtsprechung

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf verweist zudem auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 08.11.2012 – C-229/11, C-230/11), wonach Kurzarbeiter vorübergehend als teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer anzusehen seien und der Urlaubsanspruch gekürzt werden könne. Denn anders als bei Krankheit könne sich der Arbeitnehmer bei Kurzarbeit entweder ausruhen oder Freizeitaktivitäten nachgehen. Psychische oder physische Leiden, wie bei einer Erkrankung, stehen dem nicht entgegen.

Nicht entscheidend sei, dass Kurzarbeit keine planbare Freizeit beinhaltet. Denn für die Entstehung des Urlaubsanspruchs kommt es allein darauf an, ob eine Arbeitspflicht besteht und nicht auf die Frage der Erholung.

Verfahrensgang:

LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2021 – 6 Sa 824/20; Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 06.10.2020 – 1 Ca 2155/20

Das Landesarbeitsgericht hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen (Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 9 AZR 225/21).

Praxistipp:

Zwar entspricht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, dass Kurzarbeit Null zu einer anteiligen Kürzung des Urlaubs führt, der ganz überwiegenden Auffassung. Arbeitgeber sollten jedoch in der Zwischenzeit bis zur höchstrichterlichen Klärung dieser Rechtsfrage vorsorglich eine schriftliche Vereinbarung zur anteiligen Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit Null mit den Arbeitnehmern treffen. Denn das Konfliktpotenzial beim Urlaub ist hoch, wie die vielen bereits anhängigen Verfahren bei den Arbeitsgerichten zeigen.

Erstellung Jahresabschluss 2020

Das aktuelle Urteil hat nicht nur arbeitsrechtliche Relevanz, sondern sollte auch bei der Erstellung des Jahresabschlusses 2020 berücksichtigt werden. In der Regel sind Unternehmen nach § 249 Abs. 1 S. 1 HGB verpflichtet, für noch ungenutzten und nicht verfallbaren Urlaub der Arbeitnehmer in der Handels- und Steuerbilanz Rückstellungen zu bilden. Da bei Kurarbeit Null kein Urlaubsanspruch besteht, ist die Urlaubsrückstellung in der Bilanz ergebniswirksam aufzulösen.

Weiteres zum Thema Urlaub: Wohl keine Urlaubskürzung außerhalb von Kurzarbeit Null 

Stand: 26.08.2021

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Urlaubskürzung nur bei Kurzarbeit Null

Das Arbeitsgericht Osnabrück hatte sich mit der Frage zu befassen, ob auch bei teilweiser Kurzarbeit der Urlaubsanspruch gekürzt wird und entschied wie folgt:

Anders als bei Kurzarbeit Null ist der Arbeitgeber bei lediglich teilweiser Kurzarbeit nicht berechtigt, den Urlaub der betroffenen Arbeitnehmer zu kürzen.

 

 

 

 

Weniger Urlaubsanspruch auch außerhalb von Kurzarbeit Null?

Im beklagten Unternehmen wurde an einzelnen Tagen Kurzarbeit durch mehrere Betriebsvereinbarungen eingeführt. Eine Reduzierung der Arbeitszeit auf Null fand nicht statt. Erst kurze Zeit vor Beginn der Kurzarbeit wurde immer die jeweils dafür geltende Betriebsvereinbarung abgeschlossen. Nach den Betriebsvereinbarungen war es dem Arbeitgeber gestattet, die Kurzarbeit mit einer Ankündigungsfrist von zwei Werktagen zu beenden oder zu reduzieren.

Der klagende Arbeitnehmer begehrte die Gutschrift von Urlaubstagen, die der Arbeitgeber für Zeiten der Kurzarbeit anteilig kürzte.

Keine Kürzung des Urlaubs bei teilweiser Kurzarbeit

Das Arbeitsgericht Osnabrück hat mit Urteil vom 08.06.2021 (Az.: 3 Ca 108/21) dem Arbeitnehmer Recht gegeben und eine anteilige Kürzung des Urlaubs verneint. Wird bei einer Kurzarbeitsvereinbarung die Arbeitszeit für den Zeitraum der Kurzarbeit nicht auf Null herabgesetzt, bestehe – anders als bei Kurzarbeit Null – keine vergleichbare Rechtslage zum Teilzeitrecht oder sonstigen andauernden Unterbrechungen der gegenseitigen Leistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Hätte der Gesetzgeber eine anteilige Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Kurzarbeit gewollt, hätte er dies auch zum Ausdruck gebracht. Dies habe der Gesetzgeber nicht nur unterlassen, sondern nach dem Bundesurlaubsgesetz gerade deutlich gemacht, dass Kurzarbeit nicht zur Verdienstschmälerung des Urlaubsentgelts dienen solle.

Die Durchführung der Kurzarbeit nur an einzelnen Tagen sowie die sehr kurzen Ankündigungs- und Beendigungsfristen stünden einer Kürzung ebenfalls entgegen, da dann nicht die gleiche Rechtswirkung eintreten könne, wie bei einem länger andauernden Ruhen des Arbeitsverhältnisses. Arbeitnehmer hätten in dieser Konstellation ihren Urlaub nicht bereits anteilig realisiert.

Ausblick auf die Rechtsprechung zum Urlaub bei Kurzarbeit

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das Arbeitsgericht Osnabrück die Berufung zum Landesarbeitsgericht Niedersachsen zugelassen.

Praxistipp:

Dem Arbeitsgericht Osnabrück ist insoweit zuzustimmen, dass die kurzfristige Anordnung einer lediglich punktuellen Kurzarbeit nicht mit einer planbaren Arbeitsbefreiung vergleichbar ist.

Anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn es sich um monatsweise Kurzarbeit Null handelt. Dann kann nach dem LAG Düsseldorf (Urteil vom 12.03.2021, Az.: 6 Sa 824/20) der Urlaub für die Monate mit Kurzarbeit gekürzt werden. Gegen dieses Urteil ist die Revision beim Bundesarbeitsgericht (Az.: 9 AZR 225/21) anhängig. Bis das Bundesarbeitsgericht eine abschließende Entscheidung getroffen hat, sollte bei Kurzarbeit Null eine vertragliche Vereinbarung zur Kürzung des Urlaubs zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossen werden.

Stand: 12.07.2021

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Sabine Stölzel (Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht)
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