EuGH: Übertragung des Urlaubsanspruchs bei Langzeiterkrankung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) untermauert in seinem Urteil vom 09.11.2023 (Az.: C-271/22 bis C-275/22) erneut seine Rechtsprechung zur Übertragung des Urlaubsanspruchs bei Langzeiterkrankungen und überlässt die weitere Ausgestaltung den Mitgliedstaaten.

 Ausgangsfrage und Vorlage durch französisches Arbeitsgericht

Ausgangspunkt war die Weigerung eines französischen Arbeitgebers, erworbene Urlaubstage zu gewähren, die infolge von Langzeiterkrankung nicht in Anspruch genommen werden konnten oder eine entsprechende Urlaubsabgeltung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen. Hierzu lagen dem EuGH fünf Vorabentscheidungsersuchen vor, welche miteinander verbunden wurden.

Ausgestaltung des Urlaubsrechts durch die Unionsstaaten

Die Kernaussage des Urteils ist, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, zeitliche Begrenzungen für die Übertragung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub festzulegen, wobei die bisherigen Grundsätze des EuGH einzuhalten seien. Eine nationale Rechtsvorschrift und/oder Gepflogenheit (z.B. ein Urteil) steht dem Art. 7 der RL 2003/88 dann nicht entgegen, wenn diese es erlaubt, den Anspruch innerhalb von 15 Monaten nach Ende des in Rede stehenden Bezugszeitraums (d.h. des Arbeitsjahres, in dem der Urlaub hätte genommen werden müssen) geltend zu machen.

Bedeutung für das deutsche Arbeitsrecht

Aus dem Urteil des EuGH folgt indirekt eine Bestätigung der bisherigen Rechtspraxis des Bundesarbeitsgerichts zur Übertragung des Jahresurlaubs bei Langzeiterkrankungen. Im Rahmen dieser Rechtsprechung legt das Bundesarbeitsgericht § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG – unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH – richtlinienkonform aus und entwickelt dabei die einzelstaatliche Gepflogenheit, dass der Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Bezugszeitraums verfallen kann.

Dem deutschen Gesetzgeber steht es jedoch frei, im BUrlG eine für Arbeitnehmer günstigere Regelung zu erlassen, nach der die Urlaubsansprüche auch nach Ablauf der 15 Monaten, z.B. erst nach 20 Monaten, verfallen.

Praxistipp:

Auch wenn der EuGH in seinem Urteil die Regelungshoheit im Bundesurlaubsgesetzes zum Verfall von Urlaubsansprüchen bestätigt, so ist ein Verfall von gesetzlichen (Mindest)Urlaubsansprüchen nur unter engen Voraussetzungen möglich.  Zu den aktuellen Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts hierzu empfehlen wir Ihnen unseren Blogbeitrag zum Verfall von Urlaub bei Krankheit.

Verfahrenshergang:

EuGH, Urteil v. 09.11.2023 – C‑271/22 bis C‑275/22

Conseil de prud’hommes d’Agen (Arbeitsgericht Agen, Frankreich) vom 14.02.2022. Beschluss über ein sog. Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV.

Stand: 06.03.2024

Ansprechpartner:

Sabine Stölzel (Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht)

Kontaktdaten:

kontakt@stoelzel-gbr.de

+49 (0)351 486 70 70

Veröffentlicht in Arbeitsrecht, Fach-News, Urlaubsrecht.